Grundsatzpapier zur kleinen und mittleren Wasserkraft

Das Grundsatzpapier zur kleinen und mittleren Wasserkraft - "Eine energie- und umweltfachliche Einschätzung" wurde am 23.04.2015 von EUROSOLAR herausgegeben. Das vollständige Papier als PDF-Dokument finden Sie hier.

I. Hintergrund

1. Energiewirtschaftliche Eckdaten
Zur Errichtung von Wasserkraftwerken sind hohe Investitionen erforderlich. Der Bau von Wasserkraftwerken erfordert daher in der Regel langfristige Investitions- und Planungssicherheit.

Wasserkraftanlagen zeichnen sich durch lange Betriebslebensdauer und kalkulierbare Betriebskosten aus. Durch dezentrale Standorte fallen nur sehr geringe Stromtransportkosten an. Brennstoffkosten fallen keine an. Wasserkraft ist regenerative Energie – die Natur liefert sie beständig und unendlich.

Kleinwasserkraft ist für Verbraucher kostengünstig: Maximal 12,52 Eurocent pro erzeugter Kilowattstunde erhält ein Kleinwasserkraftwerksbetreiber für den einspeisten Strom über 20 Jahre. Darin enthalten sind Ausgleichszahlungen zur Erreichung eines guten ökologischen Zustands im Einzugsbereich der Wasserkraftanlage.

Kleinwasserkraft entlastet den Steuerzahler: Die durch Kleinwasserkraftwerksbetreiber unentgeltlich geleistete Arbeit zum Gewässerunterhalt ist erheblich und muss bei Aufgabe der Wasserkraftnutzung durch die öffentliche Hand geleistet werden.

Kleinwasserkraft ist krisensicher: Das schlagende Argument für die jahrzehntelange Steinkohlesubventionierung war ihre Bedeutung für die nationale Versorgungssicherheit. Wasserkraft liefert das auch, aber klimaneutral und ohne Ewigkeitslasten. Wasserkraft macht politisch unabhängig von Krisenregionen. Wasserkraft ist Wertschöpfung im eigenen Land und schafft Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten.

2. Technik
Die bei Wasserkraftanlagen verwendete Methode und Mechanik ist seit Jahrzehnten ausgereift und in hohem Maß zuverlässig. Sie ist mit anerkannter Technik, meist automatisch und mit überschaubaren Betriebskosten zu betreiben. Das dem Fluss entnommene Wasser wird unverändert und vollständig wieder eingeleitet.

Die Stromverbraucher erwarten vom Produzenten Strom in ausreichender Qualität. Die Wasserkraft hilft, diese Qualität zu garantieren. Wasserkraftwerke weisen im Vergleich zu allen anderen Energieerzeugungsanlagen mit bis zu 90% den höchsten Wirkungsgrad auf. Die Anlagen liefern stetig, es bedarf keiner teuren Energiespeicher. Durch schnelles Anfahren und Abstellen sind sie besonders gut zur schnellen Netzregelung geeignet.

3. Einsatzzwecke
Das zukünftige Stromsystem hat zwei Tendenzen:
a) Die Schwankungen der fluktuierenden Erneuerbaren Energien nehmen zu. Die Grundlast verschwindet.
b) Die Geschwindigkeit und die Höhe der Schwankungen nehmen zu. Das bedeutet, dass die Bestandteile des Systems flexibel und schnell sein müssen.

Die Wasserkraft muss ihren Platz in diesem System neu definieren. Energiewirtschaftlich bietet die Wasserkraft diverses an:
a) regionaler Grundstock an CO2-freier Stromerzeugung
b) Bereitstellung von Regelenergie
c) Bereitstellung von Systemdienstleistungen
d) Flexible Einspeisung in Kombination mit (Wärme-) Speichern

4. Ausbaupotenzial
Wasserkraft wird seit Jahrtausenden benutzt, um die Arbeitskraft von Mensch und Tier zu ergänzen. Im 19. Jahrhundert hat die Wasserkraft die Stromerzeugung erst möglich gemacht. In Deutschland war sie seitdem die bedeutendste regenerative Energiequelle. Erst seit 2004 wird hierzulande mehr Strom aus Wind als aus Wasser gewonnen. Wasserkraft ist eine ausgereifte Technologie und weltweit nach der traditionellen Biomassenutzung die am meisten genutzte erneuerbare Energiequelle. Sie steht rund um die Uhr zur Verfügung und kann auch als Energiespeicher genutzt werden.

Die Wasserkraft hat in Deutschland noch ein großes Ausbaupotenzial, insbesondere im Bereich der mittleren und der Kleinwasserkraft. Das Gewässersystem gleicht einer Baumstruktur, von der nur die wirtschaftlichsten Standorte an den großen Flüssen ausgebaut sind. An den kleineren Flüssen und Bächen hingegen, wo einstmals viele tausend  Wassermühlen ihren Dienst taten, findet Wasserkraftnutzung fast nicht mehr statt. Gerade diese Standorte aber sind es, die durch ihre Dezentralität zur verbrauchernahen, stetigen und krisensicheren Stromversorgung  beitragen.  Eine Verdopplung der deutschen Wasserkraftanlagen ist problemlos möglich, eine Verzehnfachung erstrebenswert. Und noch mehr wäre immer noch sinnvoll.

5. Umweltauswirkungen
Emissionen fallen im Grunde nur beim Bau an und sind so gering, dass Wasserkraft als Treibhausgas- und Schwermetall-frei gilt. Allerdings verbrauchen sie sogenannte naturbelassene Gebiete. Dämme, Stauseen oder Kanäle verändern das Landschaftsbild. Nach Maßstäben, die sämtliche Stromproduktionsarten bezüglich ihrer ökologischen Qualität bewerten (Umweltbelastungspunkte, eco-indicator 95), erreicht die Stromproduktion aus Wasserkraft den vorteilhaftesten Wert, gefolgt von Windkraftwerken und Photovoltaik auf Dächern.

Der Nutzen für die Gesellschaft wurde bisher nicht bewertet. Durch die Eingriffe wird zwar Landschaft verändert. Doch bewertet man auch die positiven Auswirkungen wie zusätzliche Erholungsräume, Hochwasserschutz oder Entstehung neuer Naturschutzgebiete und biologische Lebensgemeinschaften, so reduziert sich die Gesamtbelastung für die Gesellschaft. Die ökologische Spitzenposition von Wasserkraft im Vergleich mit anderen Stromerzeugungsarten  wird dadurch noch deutlicher. Auch die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet die kleine und mittlere Wasserkraft vorbehaltlos.

6. Nachhaltigkeit und Wasserökologie in Fließgewässern
Die Verschärfung unserer Umweltprobleme, wie Versteppung, Verlust landwirtschaftlich genutzter Böden, Verlust des bodennahen Wasserdampfes als Wärmeschutzfilter und vermehrt auftretende Katastrophen durch extreme Wetterlagen mit Hochwasserereignissen und Dürrezeiten, erfordern einen Paradigmenwechsel zu einem integrativen Verständnis der Naturprozesse. Die Instrumente des strukturellen Naturschutzes und der Arten-Diversität sind ungeeignet, die täglichen Bedürfnisse (Subsistenz) des Bürgers (Energie, Wasser, Nahrungsmittel und Rohstoffe) nachhaltig zu sichern.

Wasser ist als dynamisches, energiedissipatives Temperaturausgleichs-, Transport- und chemisches Reaktions-Medium die zentrale Steuergröße für ein integriertes Ressourcenmanagement in jedem Einzugsgebiet.

Gerade kleine Wasserkraftwerke leisten einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Bodenschutz. Um die Subsistenzfunktionen dauerhaft zu gewährleisten, ist es nötig, gleichzeitig und multifunktional die Naturprozesse (lokaler und kurzgeschlossener Wasser- und Stoffhaushalt, Temperaturausgleich und Bodenfruchtbarkeit) auf der gesamten Landesfläche aufrechtzuerhalten. Kleine Wasserkraftwerke, die ihre Techniken in Zukunft den natürlichen Gegebenheiten der Flüsse anpassen, leisten einen wichtigen Beitrag zur Steuerung des Landschaftswasserhaushaltes, des Klimaschutzes und des Bodenschutzes ihres Einzugsgebietes. In den Einzugsgebieten stellt der Bau von kleinen Wasserkraftanlagen einen wichtigen Baustein für die Umsetzung einer regionalen Kreislaufwirtschaft auf der Basis der Wiedereinführung lokaler kurzgeschlossener Wasser- und Stoffkreisläufe dar.

Kleine Wasserkraftanlagen in Teileinzugsgebieten fördern neben dem Wasserrückhalt und der lokalen Produktion elektrischer Primärenergie auch dezentrales, in Kreislaufwirtschaft betriebenes Vegetationsmanagement. Dabei wird die Vegetation als wasser- und stoffrückhaltende sowie klimastabilisierende Struktur gezielt eingesetzt sowie die nähr- und mineralstoffhaltigen Reststoffe in geeigneter Form auf die Fläche zurückgeführt.
Auf abgewirtschafteten Flächen kann in wasserrückhaltenden Strukturen Biomasse aufgebaut werden. Damit wird der tägliche Verdunstungs- und Taubildungszyklus gefördert und die Böden werden durch Anreicherung mit Nähr- und Mineralstoffen wiederaufgebaut. Der Wasserabfluss des Gebietes wird so gedämpft und vergleichmäßigt, Stoffverluste vermindert und die Landschaft dauerhafter nutzbar. Durch die Wiederherstellung des lokalen Temperaturausgleichsystems wird die Wahrscheinlichkeit von Dürre oder Hochwasserkatastrophen gesenkt.

Diesen systemübergreifenden Voraussetzungen wurde in den bisherigen Gutachten über kleine Wasserkraftanlagen auf sektorieller Basis nicht Rechnung getragen. Die verallgemeinernden, ablehnenden Begründungen seitens der Verwaltung sind deshalb zu korrigieren, weil sie eine nachhaltige Entwicklung sowie die Gestaltung der Natur- und Subsistenzprozesse im Einzugsgebiet verhindern.

Auch kann in einer gesamtheitlichen Sichtweise nicht der natürliche Zustand des Gewässers vor 2000 Jahren als alleiniges Ziel postuliert werden, sondern die Ziele der WRRL sind mit den Erfordernissen unserer Zivilisation im Sinne einer nachhaltigen Wasserwirtschaft abzustimmen. In diesen Prozess ist die Land- und Forstwirtschaft ebenso wie der Umweltschutz einzubeziehen. Stromproduktion stellt ebenso wie land- und forstwirtschaftliche Produkte nur im Zusammenspiel mit den richtigen Umweltstandards den geringstmöglichen Eingriff in die Umwelt dar. Ein einseitiger und sektorieller Gewässerschutz verursacht vermehrten Import von Strom-, landwirtschaftlichen und Forstprodukten, die in aller Regel unter laxeren Umweltstandards mit erheblich größeren Eingriffen in die Natur verbunden sind.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass konventionelle thermische Großkraftwerke unseren Gewässern Wassermengen in erheblichem Umfang entnehmen und hier praktisch kein Fischschutz möglich ist. Durch Pumpen, Erhitzen und Abkühlen wird 100 Prozent der lebenden Biomasse vernichtet. Vor allem in Niederwasserzeiten wird die Wassertemperatur flussabwärts des Kraftwerks um mehrere Grad erhöht, was beispielsweise dazu führt, dass sich Salmoniden nicht mehr erfolgreich halten können. Salmoniden sind Kaltwasserfische, die in aufgewärmten Gewässern ihren Lebensraum verlieren. Steter Wasserkraftstrom mindert unmittelbar die Anteile der Kondensationskraftwerke an der Stromproduktion.

Wasser erhält durch die rückhaltenden Strukturen aus kleinen Wasserkraftwerken und Ausleitungsgewässern die Landschaft auf größerer Fläche und über längere Perioden verdunstungsfähig und temperaturausgleichend, insbesondere im Sommer bei Niedrigwasser. Die Verdunstung der Landschaft steigert den bodennahen Wasserkreislauf,  der als Wärmeschutzfilter die Rolle der trockenen Treibhausgase für das lokale Klima relativiert und reinigt durch kürzere Verdunstungs- und Taubildungszyklen das Wasser. Der ökologische Wirkungsgrad im Einzugsgebiet wird erhöht, indem die irreversiblen Stoffabflüsse über das Bodenwasser eingedämmt werden.

Die Artenvielfalt in einer Landschaft ist vor allem an flache Gradienten von Temperatur, Feuchtigkeit, chemische Konzentrationen und an Strömungsmuster gebunden, die durch Wasser- und Stoffrückhalt gefördert werden. Hier spielen in erster Linie flache struktur- und substratreiche kleinere Verzweigungs- und Ausleitungsgewässer für die Reproduktion der Fische und ihrer Nährtiere eine entscheidende Rolle. Abflussdynamik ist wichtig, die immer öfter und schneller ansteigenden Hochwasserabflüsse als Ausfluss von Hangdrainage und Begradigung sind schädlich, sie vernichten die Laichgelege, bewirken die Versandung der Lückensysteme und schwemmen letztlich auch den abgelegten Laich ab. Diese Faktoren sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass sich Kieslaicher selbst in sauberen und nicht belasteten Bergbächen kaum mehr vermehren können. (Siehe hierzu die Studie zur ökologischen Bewertung von kleinen Wasserkraftanlagen, Prof. Dr. Wilhelm Ripl, TU Berlin, Systeminstitut Aqua-Terra e.V. et al.)

Natürliche Landschaften mit unbelasteten Flüssen und Bächen gibt es kaum noch in Mitteleuropa. Wir haben durch Menschenhand geprägte Kulturlandschaften. Die Gewässer wurden begradigt und sind versandet und natürliche Überschwemmungsgebiete ausgetrocknet, was die Laichgründe dezimierte. Stattdessen werden – seit Jahrzehnten und heute noch – von Kläranlagen nicht zersetzbare Abwässer mit Schwermetallen, Hormonen, Mikroplastik-Schwebstoffen und chemischen Rückständen von Farben, Lacken oder Medikamenten eingebracht, deren Anteil insbesondere bei Niedrigwasser häufig den Anteil  an Frischwasser überwiegt. Anthropogene Spurenstoffe sind vielfältig. Sie kommen auch von Verkehrswegen, Tierhaltung oder durch Pflanzendünger. Durch die Bevölkerungs- und Siedlungszunahme hat sich die Belastung/ Verschmutzung der Gewässer vervielfacht und der Fangdruck wurde durch immer mehr Sportangler erhöht.

Mit der Verfüllung der früher ins Flachland hinein vorhandenen hochwasserfreien Wiesenwässerungsgräben ging das Hauptlaichgebiet nahezu aller Flussfischarten gegen Null zurück. Heute verfüllen die Sedimente das früher vorhandene Lückensystem in der Sohle, wodurch die früher im Lückensystem abgelegten Fischeier entweder im Sediment ersticken oder flussabwärts getrieben und von Fressfeinden aufgezehrt werden. Dort wo das Lückensystem nicht verschlammt, versandet oder veralgt ist, wird das Substrat durch immer steiler ansteigende Hochwasserspitzen im Winterhalbjahr mehrmals umgepflügt, was zu einer Vernichtung der Laichgelege führt. Auch Fische, die ihren Laich in Kraut und Gestrüpp ablegen, wie Raubfische und Cypriniden, erreichen keinen Laicherfolg, weil die Wiesen und Auen, die noch vor einem halben Jahrhundert regelmäßig im Frühjahr wochenlang überschwemmt waren und in dieser Zeit für diese Fische die Kinderstube abgaben, längst drainiert und hochwasserbereinigt wurden. Damals wurden fast alle Mittelgebirgsabflüsse alljährlich im März/ April mehrere Wochen zur Förderung des Graswuchses überstaut. In diesen überschwemmten Wiesenbereichen konnte sich das Laichgeschäft und der Brutaufwuchs der Kies-/Graslaicher von der Bachforelle über den Hecht bis zum Weißfisch im wesentlichen ungestört entwickeln. Mit dem Ablassen der Überschwemmungsbereiche wurden Brütlinge und Jungfische in das Hauptgewässer zurückgeflutet. Ein Teil fiel dort natürlich kannibalischen Bruträubern zum Opfer, es verblieben aber immer noch so große Jungfischmengen, dass die Selbstreproduktion der Arten nie in Frage stand.

Gerade viele kleine Wasserkraftwerke könnten einen Teil der Laichplätze schaffen, die jetzt fehlen. Die Wehre dienen der Grundwasseranreicherung und dem Hochwasserschutz und sie verhindern die Erosion der Flussbetten. Die Ausleitungsstrecken mit niedrigen Fließgeschwindigkeiten sind ideale Laichgebiete. Autochthone Fische sind „Opportunisten“. Die natürlichen, selbstreproduzierenden, heimischen Fischarten sind absolut standorttreu. Sie brauchen nur selten Fischaufstiegs- und gar keine Fischabstiegsanlagen.

Es bietet sich geradezu an, im Zusammenhang mit dem Bau neuer kleiner Wasserkraftwerke sowohl kleinräumige Überflutungsbereiche für Krautlaicher zu schaffen als auch verfüllte, verrohrte und abgeschnittene Quellbäche, Wiesengräben und Verzweigungen wieder anzuschließen und auf diese Weise Laichhabitate zu erschließen. Derartige Projekte wurden bereits im nördlichen Schwarzwald im Einzugsbereich der Murg erfolgreich durchgeführt.
Vor 100 Jahren gab es zehn Mal so viele Wasserkraftwerke wie heute – und nachweislich zehn Mal so viel heimische Fische.

7. Fischschutz
Ein angemessener Fischschutz sollte selbstverständlich sein.
Die Fischpopulation in Bächen und Flüssen aber besteht bis zu 90% und mehr aus künstlich gezüchteten Besatzfischen aus der Aquakultur, die unter Umgehung von Tier- und Naturschutz vom Menschen eingesetzt werden, um den Schwund an einheimischen Fischen zu kompensieren. Besatzfische wiederum sind nur zu einer geringen Minderheit standorttreu. In Fließgewässer eingesetzte Zuchtfische können nicht erfolgreich ausgewildert werden. Sie wandern in der Regel mit der Strömung Richtung Meer, ohne etwas zur Arterhaltung  beizutragen. Je mehr auf der Genetik beruhende Zuchtfische eingesetzt werden, umso mehr wandern diese Besatzfische den bequemsten Weg flussabwärts. Fischabstiegsanlagen sind meist nutzlos, allenfalls sorgen sie für eine schnellere Abwanderung der eingesetzten Zuchtfische. Diese verweilen ohnehin nur solange in den Gewässern, bis sie entweder dem Fischreiher zum Opfer fallen, geangelt werden oder spätestens in der nahrungsarmen kalten Winterperiode abwandern.

Ein gesunder, heimischer Fisch schwimmt nicht auf eine laute Turbine zu. Fische schwimmen auch nur dann einen Wasserfall runter, wenn sie krank sind – oder aus Zuchtfischbesatz stammen. Ein standortgeprägter natürlicher Fischbestand hält sich vor dem Sog eines Wasserfalls genauso fern wie vor dem Sog von Turbinen und erleidet keinen Schaden. Wenn also Fischschutz vor dem Einschwimmen in Wasserkraftwerke gefordert wird, dann werden damit in der Regel nur Besatzfische allenfalls kurzfristig auf dem Weg der Abwanderung aber nicht nachhaltig geschützt.

Das Problem hoher Aalschäden ist ebenso bekannt wie komplex, hier würde allein die Beachtung der geltenden Vorgaben der Fischerei und der Naturschutzgesetzgebung helfen, einen Großteil der Aalschäden zu vermeiden. Entsprechend den Vorgaben diverser Landes-Fischereiverordnungen sollen Aale nicht in Salmonidengewässer eingesetzt werden, wie dies in großem Umfang geschieht, sondern allenfalls in reine Aalgewässer. Der Aalbesatz im Donauraum ist besonders inakzeptabel, da der Aal im Donauraum nie heimisch war. Aale, im Übermaß eingesetzt, vertilgen den Forellen-, aber auch den Weißfischnachwuchs. Allein schon bei Beachtung dieser beiden Vorgaben könnten Aalschäden in erheblichem Umfang reduziert werden. Allerdings ist zur Aalabwanderung noch erheblicher Forschungsbedarf erforderlich, da es bis heute keine sichere Möglichkeiten gibt, abwandernde Aale vor Turbinen-Schäden zu bewahren. Konzepte mit engen Stabweiten und einer durchgehenden Leitwirkung entlang des Rechens bis zum solnahen Abstieg gibt es. Hierdurch können alle Blankaale und auch die kleineren Gelbaale fast vollständig geschützt werden. Abwanderungswillige Blankaale brauchen keine Fischabstiegsanlagen, sondern geeignete Röhren und Schlupflöcher im Boden des Hindernisses, um so ungefährdet zur Saragossasee abwandern zu können. Da immer noch die Mehrzahl der abwandernden Blankaale den Fischern zum Opfer fallen, wäre es angezeigt, einmal für die Dauer von einigen Jahren jeglichen Aalfang, also auch den Fang von aufsteigenden Glas- und Jungaalen für die Aalmästereien, einzustellen. Dann wird sich zeigen, ob der Rückgang der Aalpopulation noch zu stoppen ist oder ob mit dem Aussterben des Aales gerechnet werden muss. Lange wurde beispielsweise im Main ein tausendfacher Aalüberbesatz eingebracht, um für die Berufsfischer den durch die Gewässerverschmutzung zurückgegangenen Anteil standortgeprägter Fische durch Aalfang auszugleichen. Zeitweise wurden im Main und auch im Hochrhein sogar durch die Behörden ein Stopp des Aalbesatzes verfügt. Auch wenn der Rückgang der Aalpopulation nicht mit der Wasserkraft begründbar ist, so ist doch auch die Wasserkraft in der Verantwortung für größtmöglichen Aalschutz. Dies sollte jedoch standort- und gewässerspezifisch betrachtet werden.

8. Durchgängigkeit der Fließgewässer
Mittelgebirgs- und alpine Gewässer waren nie durchgängig. Durchgängigkeit ist ja auch kein Wert für sich. Sondern soll dem Laichgeschäft der Fische nützen. Die Durchgängigkeit im Gewässer (river continuum concept) wird durch ein serielles Gewässerentwicklungsmodell mit einer höheren Vielfalt an Strömungsgradienten ersetzt, das sich für den Artenerhalt als überlegen erwiesen hat, gerade auch durch raschere Eliminierung vielfältiger Störungen. Es ist das im Gebirge am häufigsten vorkommende, natürliche Entwicklungsmodell für Gewässer mit Abstürzen (Wasserfällen), stark strömenden Bereichen und Kolkbildung. Querhindernisse verhindern nur in Ausnahmefällen die Ausbreitung von Fischen und Fauna. In der Regel wird durch diese sogar die dynamische Strukturvielfalt der Biotope erhöht, meistens wird durch Querbauwerke auch die Arten-Diversität aber auch die Individuendichte vergrößert, weil sie strömungsbedingt Unterstände schaffen. Werden Querbauwerke beispielsweise durch Hochwasserschäden abgeschwemmt oder entfernt, fehlen die Fischunterstände und der Bestand geht zurück.

Bei der Diskussion um Durchgängigkeit wird auch häufig übersehen, dass normale Querbauwerke, die bei Niederwasser unüberwindbar erscheinen, bei höherer Wasserführung problemlos überwunden werden können. Lachs- oder Meerforellen, die alleine aufsteigen konnten, können auch problemlos mit einem der nächsten Wehrüberläufe wieder absteigen.
Selbstverständlich wird man dort, wo dies sinnvoll und mit vertretbarem Aufwand möglich ist, in Verbindung mit dem Bau neuer Wasserkraftwerke auch eine hinreichende Durchgängigkeit herstellen. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass der Nutzen der Durchgängigkeit weit überschätzt wird.

Auch die erheblichen Anforderungen an zu verbleibendem Mindestwasser in Ausleitungsstrecken sind gewässerökologisch meist sinnlos. Vor 50 Jahren gaben viele Wehre nur Sickerwasser ab. Trotzdem gab es in den Gewässern wegen der besseren Wasserqualität und mehr Lebensraum viel mehr Fischreichtum als heute. Die Erhöhung der Mindestwassermenge führt nicht zu einer Erhöhung der Selbstreproduktion.

9. Fehlende Impulse

9.1 EU
Nach langwierigen Verhandlungen und Vermittlungsverfahren wurde im Jahr 2000 die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verabschiedet, die den Ordnungsrahmen für den Schutz der Binnenoberflächengewässer regelt. Ziele sind u.a. die Verbesserung des Zustands aquatischer Ökosysteme einschließlich der direkt vom Wasser abhängenden Landökosysteme. Verbindliche Umweltziele sind der gute ökologische Zustand in 15 Jahren (also 2015) und ein Verschlechterungsverbot.

In der Folge verweigern deutsche Verwaltungen Genehmigungen für neue Wasserkraftwerke oder das EEG fördert keine Wasserkraft an neu errichteten Querbauwerken, weil man davon ausgeht, dass der Bau eines Wasserkraftwerks eine Verschlechterung für das Gewässer darstellt. Obwohl das Gegenteil der Fall ist. Gerade die Stauhaltungen mit tiefem Wasser werden sogar von großen Fischen als Rückzugsgebiet gesucht und angenommen. Deshalb stehen auch die Angler immer an diesen Stellen. Wenn jetzt auch noch Fischaufstiegshilfen eingebaut werden, kann der Lebensraum gar nicht verschlechtert, sondern nur verbessert werden. Unzweifelhaft wird doch wenigstens das gute ökologische Potenzial erreicht, was die WRRL als Mindestvoraussetzung bei erheblich veränderten Gewässern fordert.

Eine Überprüfung und Anpassung der WRRL ist für 2017 vorgesehen. Die Kommission beginnt 2015 daran zu arbeiten. In Umsetzung der „EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen“ von 2009 sollen bestehende Verwaltungsverfahren beschleunigt werden, um den Investitionsstau zu lösen. Vorschriften zur  Genehmigung müssen verhältnismäßig sein und den Besonderheiten der einzelnen Technologien für erneuerbare Energie vollständig Rechnung tragen. Diese Richtlinie scheint keine Anwendung zu finden.

Der Ausbau der Wasserkraft besaß bisher auf europäischer Ebene keine Priorität. Offen ist, welchen Raum die neubesetzte Kommission und das neugewählte Parlament der Wasserkraft geben wollen. Erstmalig ist dabei das Parlament gleichberechtigt mit dem Rat und ein echtes Gesetzgebungsorgan.

KOM-Präsident Juncker hat zumindest die programmatische Zielsetzung, den Klimawandel weitreichend zu begrenzen und CO2-sparende Technologien zu fördern.
Ab 2015 soll ein Energie-Rahmenwerk für den Zeitraum bis 2030 aufgelegt werden. Hierzu gehört auch eine neue Richtlinie zur Reduktion nationaler Emissionen und eine Roadmap für die kleine und mittlere Wasserkraft. Energiepolitik  wird die vordringlichste Aufgabe der kommenden Legislaturperiode.

9.2 Deutschland
Die WRRL wurde 2002 im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und danach in den Bundesländern in bundesdeutsches Recht umgesetzt und das WHG im Jahr 2010 neu gestaltet.
Demnach dürfen Stauanlagen nur zugelassen werden, wenn durch geeignete Einrichtungen und Betriebsweisen die Durchgängigkeit des Gewässers erhalten oder wiederhergestellt wird (§§ 33 f WHG). Wasserkraftnutzung ist nur noch zulässig, wenn auch geeignete Maßnahmen zum Schutz der Fischpopulation ergriffen werden (§ 35 WHG). Hierbei ist es aber längst nicht mehr mit engmaschigen Rechen getan. Auch eine einzelne Fischaufstiegsanlage reicht oftmals nicht mehr. Gefordert werden inzwischen nicht nur in Einzelfällen:
a) eine Fischaufstiegsanlage am Wehr
b) eine Fischabstiegsanlage am Wehr
c) eine Fischaufstiegsanlage an der Wasserkraftanlage
d) eine Fischabstiegsanlage an der Wasserkraftanlage
Bestehende Wasserkraftanlagen sind innerhalb angemessener Fristen nachzurüsten, andernfalls droht der Entzug der Betriebserlaubnis.
Der Ausbau auf nationaler Ebene hat keine Priorität. Es gibt keine Ausbauziele. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD von 2013 findet sich zum Thema Wasserkraft lediglich der Satz: „Die bestehenden Regeln haben sich bewährt und werden fortgeführt.“

9.3 Bundesländer
Wasserrechtsbehörden arbeiten oft restriktiv. Kraftwerksbesitzer werden aufgefordert, auf eigene Kosten Organismenaufstiegshilfen zu errichten und diese mit erheblichen Wassermengen zu dotieren. Andernfalls wird mit dem Entzug des Wasserrechts gedroht. Wenn nichts geschieht, werden bereits kurzfristig viele Wasserkraftanlagenbesitzer kapitulieren und den Betrieb ihrer Wasserkraftanlagen einstellen. Die administrativen Hemmnisse auf der niederen und Landratsebene sind deprimierend. Statt dem Ziel der verstärkten Wasserkraftnutzung zu dienen, wird Antragstellern oft nicht einmal mehr die Nutzung eingetragener Wasserrechte genehmigt.

Fischereibehörden fordern häufig prohibitive Mindestwasserregelungen und sogar die Beseitigung bestehender Wasserkraftwerke, um Salmoniden anzusiedeln, die es häufig nicht mal historisch gegeben hat. Auch nach 20 Jahren Lachsprogramm ist das Ziel nicht erreicht worden, den sich selbst reproduzierenden atlantischen Lachs im Rhein, wo es ihn vor Korrektur und Begradigung des Gewässers wenigstens mal gab, wieder anzusiedeln.

Sachsen hat die Befreiung der Wasserentnahmeabgabe für Wasserkraftnutzung gestrichen. Der Braunkohlebergbau hingegen bleibt befreit.
 
Es ist Verwaltungspraxis, Wasserkraftanlagen nur noch mit einer jederzeit entschädigungslos widerrufbaren Erlaubnis zu genehmigen anstatt langfristige Bewilligungen bis 60 Jahre zu erteilen, so wie es auch laut WHG möglich ist. Angesichts der langen Amortisationszeiten trägt auch diese Verunsicherung dazu bei, mögliche Investoren abzuschrecken.
Auch die Zeitfenster für Wasserbauarbeiten sind knapp bemessen. Während der langen Aufstiegs- und Laichzeiten darf nicht an Wasserkraftanlagen gebaut werden, selbst wenn es in dem Gewässer keine Selbstproduktion mehr gibt. In den gerade mal vier Monaten, die z.T. dann noch verbleiben, ist es kaum möglich, einen Neubau zu erstellen.

II. Empfehlungen
Zulassungshemmnisse für die kleinen Wasserkraftwerke sowie für die Kreislaufwirtschaft beseitigen.
Administrative, gesetzliche und ökonomische Hemmnisse, die eine effiziente regionale Kreislaufwirtschaft durch sektorielle Maßnahmen auf dem Gebiet des Umwelt- und Naturschutzes, der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und der Wasserwirtschaft behindern, sind zu beseitigen. Die Gesetzgebung muss dem übergreifenden Leitbild einer zukünftigen integrierten Flächenbewirtschaftung mit dem Ziel Rechnung tragen, die Subsistenz der Bürger lokal vorzuhalten und die Kompetenzen weitgehend auf den Flächenbewirtschafter zu übertragen. Sektorielle Leitbilder sind nicht in der Lage, ökologische Zusammenhänge darzustellen, wenn sie sich nicht an einem übergreifenden Leitbild orientieren, welches Energetik, Wasserkreislauf- und Stoffflüsse abbildet.

Ökobilanzen auf der Basis der verallgemeinernden monetären und ökologischen Bewertung ausschließlich unter lokalen Aspekten können weder Natur-, noch Steuerungsfunktionen noch Rückkopplungen zwischen den einzelnen Naturprozessen räumlich und zeitlich abbilden und sind deshalb auch nicht geeignet, Erlaubnisse oder Verbote zum Bau oder Weiterbetrieb von kleinen Wasserkraftanlagen zu begründen.

Dezentrale kleine Wasserkraftwerke wirken positiv und sind daher zu fördern. Sie sind geeignet, Wasserhaushalt und Stoffströme ihrer Einzugsgebiete regelnd zu gestalten und damit die Naturfunktionen in integrativer Weise zu steigern. Bei intelligenter (raum- und zeitphasenangepasster) Gestaltung kann die Strukturvielfalt sogar erhöht werden und die Durchgängigkeit weitgehend erhalten bleiben.

EUROSOLAR fordert daher die Bundesregierung, alle im Europäischem Parlament und Bundestag vertretenen Parteien und die Vertreter des Bundesrates dazu auf:
•    Vorrang, mindestens jedoch Gleichrang der Wasserkraft mit dem Naturschutz in der Europäischen Wasserrahmen-Richtlinie und im deutschen Wasserhaushaltsgesetz zu schaffen. Über geeignete Stellungnahmen kann der Kommission eine Anpassungsnotwendigkeit für die Review 2017 vermittelt werden.
•    Grundsätzlich Genehmigungen für Wasserkraftwerke zu erteilen. Als Sofortmaßnahme wenigstens an den Tausenden bestehenden Querbauwerken. Bis 2030 ist eine Verdopplung der Kapazitäten von derzeit rund 7.500 Anlagen auf 15.000 Anlagen mit mindestens 10.000 MW anzustreben.
•    Fischauf- und -abstiegsanlagen zumindest bei Kleinanlagen nur in Ausnahmefällen zu fordern.
•    Auf die Gleichbehandlung von Fischen mit Landtieren im Tierschutz- und Naturschutzgesetz zu drängen.
•    Die verstärkt für den Hochwasserschutz ausgewiesenen Überschwemmungsflächen zur Förderung der Selbstreproduktion regelmäßig überfluten zu lassen und ein mindestens dreijähriges Aalfangmoratorium zu verhängen.
•    Die erheblichen Mindestwasseranforderungen auf ein gesamtökologisch sinnvolles Maß zu reduzieren und bundesweit zu vereinheitlichen.
•    Für Neubauten bundesweit technische und ökologische Ausführungsbestimmungen festzulegen (TA Wasserkraft). Dies wird dazu beitragen, langwierige Genehmigungsverfahren und gerichtliche Auseinandersetzungen abzukürzen.
•    Objektive Forschungsbemühungen zu verstärken, insbesondere im Bereich der Anlagen- und Standortoptimierung, der Technikfolgeabschätzung, der Hydrobiologie und dem Gewässer- und Fischschutz autochthoner Arten.

III. Fazit
EUROSOLAR will den Weg zur Vereinbarkeit von nachhaltiger Wasserkraftnutzung und Gewässerökologie und der Energiewende aufzeigen. Eine isolierte sektorielle Betrachtung räumt der kleinen Wasserkraft keine Prioritäten ein. Ganz im Gegenteil wird die kleine Wasserkraft im Verhältnis zu großen Anlagen diskriminiert. Es zeigt sich jedoch, dass gerade kleine Anlagen als Bausteine in die übrigen an Nachhaltigkeit orientierten Bewirtschaftungsziele integriert werden müssen. Aus einer funktionalen Sichtweise der Naturprozesse stiften sie natur- und volkswirtschaftlichen Nutzen in fast jedem kleineren Einzugsgebiet, indem sie so genannte externe Effekte durch die Förderung von lokalen Kreisläufen internalisieren können.
Wasserkraft sollte Vorrang vor Naturschutz haben, weil Klimaschutz die Voraussetzung für Naturschutz ist. Klimaschutz muss zum höchsten Ziel politischen Handelns werden. Er ist laut WBGU conditio sine qua non für nachhaltige Entwicklung. Klimaschutz ist nicht alles, aber ohne Klimaschutz ist alles nichts. EUROSOLAR verfolgt pragmatisch das Ziel, mehr und effizientere Wasserkraftwerke zu bauen und gleichzeitig der Flora und Fauna und damit auch den naturverbundenen Fischern zu helfen.

Die dezentrale Energiewende entspricht dem Wunsch der Mehrheit unserer Gesellschaft, sichert die Zukunft unserer innovativen Wirtschaft, führt weg vom überkommenen und teuren Oligopol der großen Stromkonzerne zu einer marktwirtschaftlich organisierten Energiewirtschaft und schafft Hunderttausende neue Arbeitsplätze sowie eine bezahlbare, sichere und moderne  Energieversorgung.

Die Wasserkraft ist nicht nur unerschöpflich und im Einklang mit der Natur. Die Möglichkeiten der Wasserkraft sind noch nicht mal ansatzweise ausgeschöpft.