Resolution „Neue Energiemarktordnung (NEMO) für die dezentrale Energiewende“

Resolution der Mitgliederversammlung der EUROSOLAR-Sektion Deutschland verabschiedet am 7. November 2015 Resolution "Neue Energiemarktordnung (NEMO) für die dezentrale Energiewende" (pdf) Memorandum Neue Energiemarktordnung (NEMO) Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, dass sie sich wieder für den Fortgang der erfolgreichen dezentralen Energiewende einsetzt. Die aktuellen politischen Vorhaben der Bundesregierung stellen eine Kriegserklärung an die dezentrale Energiewende dar (nur drei Beispiele):

• Ausschreibungen bedeuten eine Abschaffung des EEG. Sie werden die Energiewende endgültig abwürgen. Das EEG ist das erfolgreichste Wirtschaftsgesetz in der Geschichte der Bundesrepublik. Es hat einer Vielzahl neuer Marktteilnehmer den Eintritt in den oligopolistisch geprägten Stromsektor ermöglicht. Ausschreibungen sollen dieses Rad wieder zurückdrehen. Die Träger der Energiewende – Bürger, Mittelstand, Kommunen, Stadtwerke – werden mit Ausschreibungen vom Markt gedrängt. Ohne diese Träger gibt es keine Energiewende. Nachdem die erste EEG-Deform 2014 bereits den Solar- und Biogaszubau abgewürgt hat, soll mit der zweiten EEG-Deform jetzt der Zubau der Windenergie an Land gestutzt werden.

• Das Strommarktgesetz (Weißbuch) und die Ablehnung der Grünstromvermarktung bedeuten einen Roll-back zum zentralistischen Energiesystem und schaffen die Grundlage für die milliardenschwere Subventionierung alter abgeschriebener Braunkohlekraftwerke mit der überflüssigen „Kohlereserve“. Anstatt nach 15 Jahren erfolgreicher dezentraler Energiewende mit dem EEG die dezentrale Energieinfrastruktur mit Verteilnetzen und Speichern zu stärken, privilegiert das Strommarktgesetz die Übertragungsnetzbetreiber und legt den Grundstein für die bundesweite Kostenverteilung der überflüssigen und teuren Hochspannungs-Gleichstrom-Trassen (HGÜ).

• Das Solarspeicher-Förderprogramm soll nach nur drei Jahren wieder abgeschafft werden. Anders als beim 100.000-Dächer-Solarstrom-Programm mit dem EEG wird es für Speicher keine Anschlussregelung geben. Das bedeutet einen Fadenriss für die Speicherentwicklung in Deutschland, durch den Asien und die USA Deutschland in diesem wichtigen Zukunftsmarkt endgültig verdrängen werden. Produktion und Anwendung gehören in den Technologiestandort Deutschland. Der von EUROSOLAR mit NEMO vorgeschlagene regulatorische Rahmen wird von der Bundesregierung mit dem Strommarktgesetz schlicht ignoriert.

Eine sichere und kostengünstige Energieversorgung gibt es nur mit einer Neuen Energiemarktordnung, in der die dezentrale Energiewende wieder beschleunigt und die Energiemärkte zusammengeschaltet werden. Mit der verfehlten Energiepolitik der Bundesregierung kann die Energiewende nicht erreicht werden. EUROSOLAR stellt diesen Fehlentwicklungen folgenden Sieben-Punkte-Plan für die Neue Energiemarktordnung (NEMO) entgegen:

1. Das EEG muss sinnvoll weiterentwickelt werden anstatt es mit Ausschreibungen abzuschaffen. Der durch die EEG‐Deform 2014 schon extrem gebremste Ausbau der Erneuerbaren darf nicht weiter abgebremst werden. Dazu müssen alle Hemmnisse für den Ausbau der kostengünstigen dezentralen Erneuerbaren Energien im EEG beseitigt und die Ziele an den tatsächlichen Bedarf für 100 % Erneuerbare innerhalb einer Generation angepasst werden. Die Förderung der teuersten Erneuerbaren Energieform Offshore-Windkraft muss zurückgefahren werden.

2. Die Strom‐, Wärme- und Mobilitätswende muss für das Ziel 100 % Erneuerbare Energien innerhalb einer Generation beschleunigt werden.

3. Die Konvergenz der Energiemärkte als zentrale Voraussetzung der Neuen Energiemarktordnung muss heute geschaffen werden. Wirksam und kostengünstig funktioniert die Energiewende nur mit einem Zusammenspiel aller Energiemärkte (Strom, Wärme, Gas, Kraftstoffe). Für lokale und regionale Stromüberschüsse aus Erneuerbaren Energien müssen die Barrieren zwischen den Energiemärkten beseitigt werden, damit EE-Power-to-Heat, EE-Power-to-Gas und EE-Power-to-Wheel vor Ort eingesetzt werden anstatt Wind- und Photovoltaikanlagen abzuregeln oder ihren Strom quer durch die Republik über teure HGÜ-Trassen abzuleiten.

4. Die dezentrale Energieinfrastruktur ist das Rückgrat der Energiewende. Der Netzausbau ist effektiv und kostengünstig, wenn er bestehende Strukturen verstärkt und Lücken im Verteil‐ und Übertragungsnetz bedarfsgerecht schließt. Netzausbaubedarf besteht vor allem dezentral im Verteilnetz und zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Regionen im Drehstrom‐Übertragungsnetz. Auf diese Herausforderung finden die aktuellen Vorhaben der Bundesregierung keine Antwort. Kontraproduktiv sind die Pläne der Bundesregierung zur Anreizregulierung. Die teure, unflexible und überflüssige Gleichstrom‐Super‐Netzstruktur (HGÜ), die Kohlegroßkraftwerke am Leben erhält und Erneuerbare in die Nische drückt, muss verhindert werden. Die dezentrale Energieinfrastruktur muss in der Regulierung deutlich gestärkt werden, damit Stadtwerke und regionale Netzbetreiber Anreize für Netzmodernisierungen bekommen.

5. Kern einer Neuen Energiemarktordnung ist der Flexibilitätsmarkt. Mit dem KWKG und der Flexibilitätsprämie im EEG stehen wesentliche Instrumente bereit. Die Bundesregierung darf diese Instrumente nicht wie geplant weiter schwächen. Der Vorschlag des Weißbuchs für eine „Kapazitätsreserve“ ist ein verkappter „Kapazitätsmarkt“, mit dem Finanzmittel zur Besitzstandswahrung für Kohlegroßkraftwerke verschwendet und Innovationen für Speicher verspielt werden.

6. Speicher müssen in den Markt eingeführt werden. Wir fordern Bundesregierung und Bundestag dazu auf, das Solarspeicher-Programm der KfW sinnvoll weiterzuentwickeln und eine Anschlussregelung im Strommarktgesetz und im EEG für einen ordentlichen regulatorischen Rahmen für Speicher zu schaffen. Dieser Rahmen soll EE-Anlagenbetreibern und Verteilnetzbetreibern Investitionen in Speicher ermöglichen. Der im Strommarktgesetz angelegte ungleiche und damit absurde „Wettbewerb der Flexibilitätsoptionen“ muss verhindert werden. Zusammen mit der Abschaffung des Solarstromspeicher-Programms würde dies den Marktzugang von Speichern bremsen, während Kohlekraftwerke als „Partner der Erneuerbaren“ aufgewertet werden sollen. Energiewende bedeutet aber auch einen geordneten Kohleausstieg mit einem zielgenauen Programm für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen.

7. Der Strommarkt für die Energiewende muss den Handel mit erneuerbaren Stromprodukten ermöglichen – durch einen Grünstrommarkt und die Mieter‐Direktvermarktung. Stattdessen setzt das Strommarktgesetz auf die sog. „freie Preisbildung“ an der Strombörse, an der abgeschriebene hochsubventionierte fossil‐atomare Großkraftwerke teilnehmen und damit den Markt verzerren. Dieses börsenfixierte Strommarktdesign wird sich als großes Hemmnis für die Energiewende herauskristallisieren.

Mit der Neuen Energiemarktordnung geht es um die entscheidende Herausforderung, den Transformationsprozess zu einer neuen Energiewirtschaft in unserem Land aus einer Vorreiterrolle heraus zu gestalten und zielorientiert voranzutreiben anstatt krampfhaft an alten Strukturen der fossil-atomaren Energiewelt festzuhalten.

Die Resolution wurde von der Mitgliederversammlung der EUROSOLAR-Sektion Deutschland einstimmig bei einer Enthaltung verabschiedet.