Seine Überzeugungskraft und seine Argumente motivierten Menschen weltweit und machten ihnen verständlich, dass die Zukunft den Erneuerbaren Energien gehört. Er konnte die Menschen begeistern und mitreißen – nicht zuletzt durch seinen Humor und sein schallendes Lachen. Hermann Scheer hatte die Wende zu hundert Prozent Erneuerbaren nicht nur sehr früh als zentrale Aufgabe der Gegenwart erkannt, er sah auch die ungeheuren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Vorteile. Er entwarf in seinen Büchern mit einmaliger Weitsicht Wege für die Transformation zur Solaren Weltwirtschaft. In seinem letzten Buch „Der Energethische Imperativ“ überzeugte er die Leser davon, dass Deutschland und Europa bis 2030 zu 100 Prozent erneuerbar werden können, wenn die ordnungspolitischen Weichen richtig gestellt werden.
Erst zu Beginn des Monats hat EUROSOLAR in einer Pressemitteilung auf einen weiteren, wichtigen Jahrestag hingewiesen: Denn am 1. April des Jahres 2000 trat in Deutschland das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG), die Weiterentwicklung des Stromeinspeisungsgesetzes von 1991, offiziell in Kraft. Das von einer fraktionsübergreifenden Initiative unter Führung von Hermann Scheer erarbeitete Gesetz löste bis heute eine Vielzahl von Energiewendeinvestitionen aus und stellt nach wie vor die unabdingbare Grundlage für die Energiewende dar. Über 27.000 Windkraftanlagen, mehr als 1,6 Millionen Photovoltaikanlagen auf Dächern und anderen Freiflächen sowie tausende Wasserkraft- und Biomasseanlagen haben seitdem die Energiewirtschaft revolutioniert und unsere Versorgung Stück für Stück umweltfreundlicher, sicherer, unabhängiger und vielfältiger gemacht.
2018 besteht EUROSOLAR seit nunmehr 30 Jahren – und im achten Jahr ohne unseren Gründer Hermann Scheer. Der Verlust dieses Vorreiters der Energiewende ist weiterhin spürbar und schmerzlich. Umso erfreulicher ist der Wille unserer Mitglieder, Vorstände, UnterstützerInnen und KollegInnen, die die Botschaft einer vollständigen, schnellen und dezentralen Versorgung mit Erneuerbaren Energien weiterhin aktiv verbreiten und die aktuelle Situation klar analysieren. Denn das Frühjahr 2018 bietet wenig gute Nachrichten für Erneuerbare Energien in Deutschland.
Widersprüchliche Signale
Weltweit setzen sich die umweltverträglichen Erneuerbaren Energien immer stärker durch und avancieren zur günstigsten verfügbaren Energiequelle. Wind und Sonne können bereits heute günstiger Strom bereitstellen als alle fossilen Alternativen, selbst wenn man deren Umweltauswirkungen nicht in Rechnung stellt. Sogar die optimistischen Projektionen von vor 19 Jahren wurden von der Realität längst eingeholt. Eine sagenhafte technologische Entwicklung, gepaart mit dem Aufbau von Massenmärkten, hat der Photovoltaik eine beeindruckende Preisentwicklung besche(e)rt.
Auf den ersten Blick also verwunderlich, dass in Deutschland wieder mit besonderer Intensität gemauert, verschleppt und mit fragwürdigen Argumenten verzögert wird – müssten doch jetzt alle Ausbaubremsen gelöst und der unausweichliche Umstieg möglichst effektiv organisiert werden. Doch die neue Regierung stellt die Energiewende unter vielfältige Vorbehalte – vom Strompreis über die Aufnahmefähigkeit der Netze und die Fortschritte beim Ausbau des völlig überdimensionierten HGÜ-Netzes. In Bezug auf die gerichtlich bestätigten Entschädigungsansprüche der AKW-Betreiber spricht der neue Bundeswirtschaftsminister wieder offen von Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke. Auch beim Kohleausstieg ist nicht viel zu erwarten und die geplante Neuaufteilung von Eon und RWE spricht Bände über das Vertrauen der Konzerne darauf, dass die Regierung die Energiewende nicht ernst nehmen wird. Die EEG-Deformen, wie sie schon seit Jahren stattfinden, gehen also auch in dieser Großen Koalition weiter: Die Ausschreibungsverfahren für Erneuerbare Energien werden voraussichtlich weiter durch Regierung und EU-Kommission radikalisiert und bürokratisiert.
Auf der Strecke bleiben vor allem die Menschen hier im Land und mit ihnen die kommunalen Unternehmen, die innovativen Mittelständler und die lokal verankerten Projektierer für Erneuerbare Energien. Die Energiewende wird auf höchster politischer Ebene sehenden Auges gefährdet, um weiterhin Geschäfte mit Kohle, Gas und Öl zu machen. Besinnen wir uns an dieser Stelle auf das großartige Erbe von Hermann Scheer und seinen MitstreiterInnen und erinnern uns daran, wie sie anfangs für ihre Vision ausgelacht wurden, wie sie seit Jahren wegen ihrer Hartnäckigkeit bekämpft werden und vor Allem, wie sie morgen Dank ihrer Überzeugung und der besseren Argumente siegen werden! Setzen Sie sich in diesem Sinne auch in den nächsten 30 Jahren kraftvoll, unabhängig und kritisch für eine dezentrale, gerechte und mittelständische Energiewende ein.
Wir freuen uns über alle, die daran mitarbeiten möchten und EUROSOLAR aktiv als Mitglied oder durch eine Spende unterstützen oder sich für unseren Newsletter interessieren.