Ein solcher Seitenwechsel ist ja leider in Deutschland nach wie vor möglich.
Wie kann man in dieser Phase der Diskussionen um Klimaschutz und dringend notwendige Verkehrswende allen Ernstes noch eine Kaufprämie für Verbrenner-Fahrzeuge fordern, wie das Anfang September geschehen ist? Das wäre (ähnlich wie die Inbetriebnahme eines Kohlekraftwerks mit dem Kohleausstiegsgesetz) an Absurdität nicht mehr zu überbieten. Es würde der Autoindustrie dabei helfen, die notwendige Transformation weiter hinauszuschieben, weil die auf Halde produzierten Autos plötzlich wieder gekauft werden. Dabei ist es normalerweise in einer Marktwirtschaft üblich, die Produktion von „Ladenhütern“ zu drosseln oder sogar einzustellen – Arbeitsplätze hin oder her. Andererseits gibt es jene Branchen, in denen wertvolle und zukunftsorientierte Arbeitsplätze ohne Rücksicht auf Verluste zunichte gemacht werden – siehe Solar- oder Windkraftindustrie.
Dass man die berechtigte Forderung, Corona-Beihilfen an notwendige Transformationen und Klimaschutz zu koppeln, schnell aufgegeben hat, ist schon schwer erträglich. Man sehe sich nur die auflagenfreien neun Milliarden für Lufthansa an – obwohl doch Frankreich mit der Unterstützung für Air France gezeigt hat, wie es gehen kann. Aber dass man jetzt auch noch exakt gegenläufigen Interessen nachzugeben gedenkt, ist ein Skandal.
Verkehrswende für den Klimaschutz
Neben Ausbau der dezentralen Erneuerbaren Energien-Anlagen, höheren Gebäudeenergiestandards und einer Reformierung der Agrarwirtschaft stellt die Verkehrswende eine zentrale Herausforderung (nicht nur) für den Klimaschutz dar. Deshalb müssen dringend Bahn, ÖPNV und Fahrrad-Nutzung gestärkt werden. Was den Individualverkehr über die Fahrrad-tauglichen Kurzstrecken hinaus angeht, wird man an einem Übergang von Verbrennern zu E-Autos nicht vorbeikommen, selbst wenn Erstere noch teilweise mit per Power2Liquid erzeugten synthetischen Kraftstoffen am Leben erhalten werden könnten.
Aber die E-Mobilität scheint fast schon wie die Digitalisierung zum Selbstzweck zu werden, weil man diese über-fördert, ohne die Nachhaltigkeit ihres Einsatzes tatsächlich zu hinterfragen – soweit das überhaupt möglich ist. Voraussetzung zur Förderung einer nachhaltigen E-Mobilität wäre etwa, dass der Betreiber über eine eigene oder nahe gelegene Ladestelle mit nachweislich 100% Erneuerbarem Strom verfügt.
Andernfalls verkehren sich die Emissionsvorteile des E-Antriebes ins Gegenteil, wenn CO2 und Schadstoffe nicht am Auspuff, sondern mit geringerem Wirkungsgrad am Kohlekraftwerk entstehen. Entsprechend sollten ohnehin meist schwere und ressourcenintensive Hybrid-Fahrzeuge überhaupt nicht mehr gefördert werden, weil nicht einmal ihr überwiegend elektrischer Betrieb (aus welcher Quelle auch immer) gesichert ist. Man muss schon ein großes Maß an Disziplin aufbringen, für ca. 30 km E-Reichweite jeden Tag neu zu laden.
PKW mit Wasserstoffantrieb – H2-Brennstoffzellen-Autos – sind ebenfalls aus der Förderung zu nehmen. Auch sie sind schwer und mit zwei Energiequellen relativ komplex. Zudem ist der Wirkungsgrad deutlich geringer als beim reinen Batteriebetrieb, weil sowohl die Wasserstoff-Erzeugung als auch die kalte Rückverstromung per Brennstoffzelle selbst energieintensiv sind. Der Aufbau einer H2-Tankinfrastruktur würde Unsummen kosten und viele Jahre in Anspruch nehmen. In dieser Zeit werden sicher neue Batterietechnologien zur Verfügung stehen, die das Reichweitenproblem lösen.
Hürden für eine sinnvolle E-Mobilität
Andererseits muss die Transformation zur – dann hoffentlich nur regenerativ geladenen – E-Mobilität vorankommen. Trotz der vielen Vorteile von E-Antrieben (emissions- und platztechnisch ebenso wie in Hinblick auf Fahrkomfort, Leistung und geringen Servicebedarf), liegen wir mehr als eine Zehnerpotenz hinter der politischen Zielsetzung von einer Million E-Autos in 2020 zurück. Dafür gibt es zwei entscheidende Gründe: Einerseits der hohe Kaufpreis, der durch die extreme staatliche Förderung kompensiert werden soll, die nicht nur einen exorbitanten Kaufbonus von bis zu 9.000 € umfasst, sondern bei Privatnutzung von Firmenfahrzeugen nach 1%-Regel die steuerliche Sachleistung auf ein Viertel reduziert. Leider führt diese Über-Förderung auch dazu, dass der nach wie vor überhöhte Preis der technisch gegenüber Verbrennern erheblich vereinfachten E-Antriebe von der Industrie gehalten werden kann.
Vielleicht entscheidendes Hemmnis ist die bisher relativ kurze Reichweite der E-Fahrzeuge. Deshalb wäre es empfehlenswert, zunächst hauptsächlich die Fahrzeuge auf E-Antrieb umzustellen, die überwiegend im Nahbereich unterwegs sind, mit kleinen Reichweiten (ggf. sogar unter 150 km) auskommen und lokal (möglichst Sektor-gekoppelt aus eigener PV) geladen werden können. Dabei reicht eine langsame einphasige Ladung mit 2,2 kW meist völlig aus, wenn die Fahrzeuge nachts und/oder während der stationären Arbeitszeit auf dem Firmenparkplatz geladen werden.
Besonders für die heimische Ladung gibt es aber Stolpersteine, und zwar nicht nur für Mieter von Wohnanlagen ohne entsprechende Lade-Infrastruktur. Betroffen sind auch Hausbesitzer, eventuell sogar mit eigener PV-Anlage, wenn das Fahrzeug nicht unmittelbar am Gebäude geparkt werden kann. Das trifft für viele Quartiere mit gemeinsamen Innenhöfen, vielleicht über 100 m nur fußläufig erreichbare Häuser oder abgesetzte Garagenblöcke zu. Solche Grundstücke gibt es zuhauf – und es gibt hier nur zwei Lösungsmöglichkeiten:
1. Die Fuß-Zuwegung ist breit genug, dass man E-Autos die Zufahrt zum Gebäude gewährt. Bei einem bekannten Beispiel-Fall wurde das trotz vorhandener Möglichkeiten mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Leider gibt es in Deutschland immer Gesetze oder lokale Regelungen, die solche vernünftigen und fortschrittlichen Lösungen verhindern.
2. Das erforderliche Kabel kommt zum Auto. Dafür bedarf es der Zustimmung aller anderen betroffenen Anlieger (fast unmöglich, weil immer einer blockiert) und eines kostenintensiven Netzzugangs seitens des Netzbetreibers, der es sich im o.g. Fall mit 12 x 2.000 € vergolden lassen wollte. Das ist definitiv nicht umsetzbar.
Also müssen gesetzliche Regelungen einer Umsetzung solcher Lösungen Vorrang einräumen. Stattdessen werden Ladestationen und Wallboxen (über-)subventioniert, die eigentlich gar nicht erforderlich wären (s.o., langsame Ladung mit 2,2 kW aus der normalen 230V-Steckdose) und/oder – wie die E-Fahrzeuge selbst – für die Minimalelektronik zu Apothekenpreisen von den Herstellern angeboten werden. Es ist ein Skandal, dass der Zugang zu öffentlichen Ladestationen an Autobahnen, in Städten, an Tankstellen oder Supermärkten immer noch nicht einheitlich geregelt ist. Wer auf Nummer Sicher gehen will, schleppt bis zu 20 Kundenkarten dafür mit sich herum. Warum werden die einheitliche Bezahlung mit jeder beliebigen EC- oder Kreditkarte und ein maximaler Aufschlag auf den örtlichen Strompreis nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben?
All das zeigt: Selbst, wenn E-Mobilität nicht das größte Rad ist, an dem wir drehen müssen – Handlungsbedarf besteht in jedem Fall!