Resolution der EUROSOLAR-Mitgliederversammlung zur Regierungsbildung 2021: Jetzt ist die Zeit zum Durchstarten der Erneuerbaren

Resolution der EUROSOLAR-Mitgliederversammlung vom 10. Oktober 2021

Nach Jahren des Ausbremsens der Erneuerbaren Energien ist die Herausforderung für die künftige Bundesregierung besonders drängend. Deshalb appellieren wir an die Wahlgewinner, die Regierungsbildung zügig zu gestalten, ein Sofortprogramm für die Beschleunigung der Energiewende sowie eine grundlegende Reform für eine Neue Energiemarktordnung auf den Weg zu bringen. Ein Sofortprogramm ist zur Überbrückung bis zur Wirksamkeit grundlegender Reformen notwendig.

Sofortprogramm zur Beschleunigung der Energiewende:

Warnzeichen, die zur Eile mahnen, gibt es wie Sand am Meer: Neben der hereinbrechenden Klimakrise (Dürren, Waldbrände, Flutwellen) ist das der drohende Fadenriss bei Unternehmen und Arbeitsplätzen der Erneuerbaren Wirtschaft. 100 % Erneuerbare in allen Sektoren ist das Fundament für alles. Ohne Erneuerbare gibt es keine Energiewende und sind Erklärungen zur „Klimaneutralität“ Etikettenschwindel. Deutschland kann sich einen weiteren Aderlass bei Arbeitsplätzen der Wind- und Solarenergie nicht leisten. Der Jobmotor der Erneuerbaren muss jetzt angeworfen werden. Vertrauen hierfür schafft ein konsequenter und beherzter Einstieg als wirtschaftliche und soziale Grundlage zur Erreichung der Klimaziele.

Das Sofortprogramm zielt auf die Optimierung bestehender energierechtlicher Instrumente, damit der Einbruch beim Ausbau Erneuerbarer Energien schnell überwunden und eine gute Startposition bei der Einführung einer Neuen Energiemarktordnung erarbeitet werden kann.

Kern des Sofortprogramms: Entbürokratisierung und Entfesselung Erneuerbarer Energien

An oberster Stelle muss die breite soziale Mobilisierung stehen, die Stärkung der solaren Bewegung. Dafür müssen insbesondere dezentrale, gemeinwohlorientierte und demokratische Ansätze wie Bürgerenergie wieder Vorrang erhalten und dürfen nicht weiter ausgebremst und diskriminiert werden.

  1. Abbau von Hürden bei Eigenversorgung: Stärkung der Eigenversorgung aus Erneuerbaren Energien für den gesamten Bedarf für Strom, Wärme und Mobilität in einem Haushalt, in einem Quartier und in einem Betrieb. Mieterstrom ist unbürokratisch zu ermöglichen.
  2. Aussetzung atmender Solardeckel: Sofortiges Einfrieren der Einspeisevergütung für PV-Anlagen auf dem Stand Mitte 2021, damit die gestiegenen Montagekosten nicht zum Einbruch des Solarzubaus führen (bis 10 kW installierte Leistung: 7,47 Cent/kWh; bis 40 kW: 7,25 Cent/kWh; bis 100 kW: 5,68 Cent/kWh). Dauer der Maßnahme: Mindestens 1 Jahr und in jedem Fall bis zu einer grundlegenden Reform für einen „atmenden Solarbooster“ mit mindestens einer Verdreifachung der Zubauziele.
  3. Ausweitung von Agri-, Parkplatz- und Floating-PV: Vervielfachung der Ausschreibungsmengen auf mindestens 0,5 GW in 2022 und Festlegung von Festpreisen für den Einstieg; danach in einer grundlegenden Reform jährlich ansteigend auf mindestens 5 GW pro Jahr in 2025.
  4. Keine Behinderung von Agri-PV: Abschaffung des Ausschlusses für Agrarsubventionen bei der Doppelnutzung einer landwirtschaftlichen Fläche mit Agri-PV.
  5. Windenergie-Deckel lockern: Freistellung von Ausschreibungen bei kleineren WEA bis zu 3 MW (Deminimis).
  6. Abschaffung des erstickenden Winddeckels bei Ausschreibungen: Die sog. endogene Mengensteuerung bewirkt eine Spirale nach unten bei den Ausschreibungsmengen und ist ein verkappter Zubaudeckel bei der Windenergie an Land. Sie muss beseitigt werden. Wettbewerb bei Windenergieanlagen größer 3 MW soll durch eine Ausweitung verfügbarer Standorte erreicht werden und nicht durch künstliche Verknappung des Angebots.
  7. Repowering beschleunigen, Planungshemmnisse beseitigen: Um den stockenden Windenergie-Ausbau an Land schnell aufzulösen, sollen Planungsvorbehalte der Windenergie an Land auf Bestandsflächen aufgehoben und die Privilegierung im Außenbereich für Repoweringanlagen durchgesetzt werden.
  8. Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Windenergie an Land: 6 Monate bis zur Vollständigkeit des Antrags und 6 Monate bis zur Genehmigung.
  9. Moratorium bei allen Maßnahmen zur Einschränkung der Wasserkraft: Eine beschleunigte Energiewende verträgt weder Rückbau noch Einschränkungen der CO2-ärmsten und regelbaren Energiequelle Wasserkraft. Um den Pfad zu 100% Erneuerbaren als Grundlage für Klimaschutz nicht zu gefährden, werden in einem Moratorium alle Anordnungen ausgesetzt, die die klimaschonende Wasserkrafterzeugung einschränken und nicht zu einer leistungssteigernden Modernisierung führen. In einer grundlegenden Reform sind die Ansprüche der EU-Wasserrahmenrichtlinie mit denen der beschleunigten Energiewende in Einklang zu bringen und nicht gegeneinander auszuspielen.
  10. Entfesselung Energiespeicher und Sektorenkopplung: Abschaffung des Letztverbraucherstatus bei kleinen Energiespeichern für Haushalte und im Ortsnetz bis zum Greifen einer grundlegenden Reform zum Abbau der Komplexität in der Regulierung von Energiespeichern und der Sektorenkopplung.
  11. Rückführung der EEG-Umlage und Lösung des EEG aus dem Beihilferegime der EU-Kommission: Überführung aller Altanlagen, die bis Ende 2020 in Betrieb genommen worden sind, in einen Altanlagen-Fonds und kontinuierliche Absenkung der EEG-Umlage (schrittweise bis 2030).
  12. Einführung eines Solarstandards für alle Neubauten: Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird um eine Mindestpflicht für den Einsatz der Photovoltaik auf allen Neubauten nach dem Vorbild des Solargesetzes Berlin ergänzt.

Vorbereitung einer grundlegenden Reform für eine Neue Energiemarktordnung:

Kern der grundlegenden Reform ist eine Energiemarktordnung, die Erneuerbare Energien mit ihren spezifischen Eigenschaften ins Zentrum des Marktes stellt und damit den Weg für ein Energiesystem aus 100% Erneuerbaren bereitet. Die Barrieren zwischen den Energiesektoren werden mit ihr überwunden (Sektorenkopplung).

Der zellulare Aufbau des Energiesystems erfolgt von unten nach oben. In der untersten Zelle befinden sich die Gebäude, dem Ort des Verbrauchs. Hier wirken Freiheit und Selbstbestimmung der Prosumer für eine unbürokratische, effiziente und möglichst weitgehende Nutzung der erneuerbaren Potenziale für die Eigen- und Quartiersversorgung. Die großartigen Möglichkeiten der Digitalisierung werden dazu genutzt, die Energiewende effizient zu gestalten, ohne die Verbraucher:innen zu überwachen. In den Zellen der Orts- und Regionalnetze (Verteilernetze) wirken Daseinsvorsorge und Versorgungssicherheit mit dem Ziel die im Außenbereich liegenden Erneuerbaren Energien in das Energiesystem einzubinden und den bedarfsgerechten Austausch zwischen Orten und Regionen zu organisieren. In die unteren Ebenen des dezentralen Energiesystems gehören Speicher und Sektorenkopplung. Hierauf muss der regulatorische Rahmen eingerichtet werden. Prosumer und Verteilernetzbetreiber werden zum Backbone der neuen dezentralen Energieversorgung.

Die Neue Energiemarktordnung ist der Handlungsrahmen für unser großes Ziel eines solaren Energiezeitalters, in dem Menschen auf der Erde auf der Basis sich erneuernder Ressourcen dauerhaft gut leben können. Sie reicht über die Energiewirtschaft hinaus und schließt Handlungsfelder von den Bereichen der Bauwirtschaft bis hin zur Landwirtschaft ein, ohne die das solare Energiezeitalter nicht erreichbar ist. Dabei gilt es, in grundlegenden Reformen über Klimaneutralität hinauszudenken und konkrete Beiträge für Plusenergie und für Klimapositivität zu leisten. Ein Leitstern hierfür ist das Projekt „Bauhaus der Erde“ (Potsdam) für einen Städtebau, der solare Plusenergie erzeugt und mit Biorohstoffen wie Holz Treibhausgase aktiv bindet. Zu einer grundlegenden Reform für eine Neue Energiemarktordnung gehört daher z.B. auch eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, das von den Zielen Plusenergie und Klimapositivität getragen ist.

Von einer echten dezentralen Energiewende mit rasantem Ausbau Erneuerbarer Energien profitieren Klima, Wirtschaft und Kommunen sowie alle Bürgerinnen und Bürger. Der Weg zu einer fossil- und nuklearfreien Energieversorgung wird jetzt sofort eingeschlagen und mit grundlegenden Reformen für eine Neue Energiemarktordnung vollendet. Nur dann beschreiten wir den Weg zum solaren Energiezeitalter als die Voraussetzung für eine Welt, in der Menschen auf Dauer gut leben können.

Die Resolution ist hier als PDF abrufbar.