Ein neuer Beitrag im Kuratorenkanal. Heute von EUROSOLAR-Kurator Claus P. Baumeister.
EU-Taxonomie
Die Bundesregierung hat es leider versäumt, angemessenen Widerstand gegen die sachlich unsinnige, rein ökonomisch motivierte Deklaration von AKWs und Gas als „nachhaltig“ in der EU-Taxonomie zu leisten, vielleicht auch weil die in einzelnen Mitgliedern übereinstimmende Vorgängerregierung den AKW-gegen-Gas-Deal mit Frankreich ausgehandelt hat. Jetzt geht nur noch ein Stopp via EuGH-Klage (wie von Österreich angestrebt) oder eine Mehrheit der Vernunft im EU-Parlament. Daran sollten wir arbeiten, und zwar alle Sektionen.
Auch wenn es eigentlich allgemein bekannt sein dürfte: Gas ist wegen der unerwünschten Methan-Emissionen bei Förderung, Transport und Kompression kaum weniger klimaschädlich als Kohle und vergrößert die Abhängigkeit insbesondere von Russland. Fracking-Gas per Tanker aus USA oder Katar ist allerdings auch keine wirkliche Alternative. Wir dürfen deshalb sowohl hinsichtlich des Klimaschutzes als auch aus geopolitischen Gründen sogar in der Transformationsphase nicht mehr Gas verbrauchen. Die längst überfällige Absage an Nord Stream 2 ist nun endlich im Sanktionspaket gegen Russland enthalten und die „Zerschlagung“ der Gazprom-Putin-Schröder-Schwesig-Connection beginnt vielleicht mit der Auflösung der unsäglichen Lobby-„Stiftung“, die bei einem MV-Landesalibianteil von 200 T€ mit 20 plus avisierten 40 Mio. € von Gazprom finanziert werden sollte.
By the way: Deutsche Gasspeicher, die Ausfallsicherheit gewährleisten sollen, gehörten auch schon vor der Ukraine-Invasion nicht in den Besitz von Gazprom. Und in Zeiten extremer Preissteigerungen und Versorgungsunsicherheiten liegt es nahe, dass Wirtschaft und einige Politiker sofort nach staatlicher Unterstützung rufen und Investitionen in die Energiewende in Frage stellen. Das muss man als völlig widersinning bezeichnen. Gerade jetzt wären massive Investitionen in EE angesagt, um sich aus dem „Würgegriff“ von Putins Russland zu befreien. Hätten wir in der Ölkrise 1971 adäquat reagiert, dann wäre die Energiewende längst vollzogen.
Nuklearkraftwerke sind keineswegs klimaneutral und nicht wirklich beherrschbar, hinterlassen gefähliche Altlasten und sind viel zu teuer. Ein GW PV-Leistung bekommt man heute z.B. für deutlich unter einer Mrd. € (Windkraft noch kostengünstiger). Ein AKW kostet – mit stark ansteigender Tendenz schon während der langen Bauzeiten – mehrere Milliarden bei Erstellung, ein Vielfaches davon beim Rückbau und unkalkulierbar viel bei Unfällen und den „Ewigkeitskosten“ der langfristigen Entsorgung.
Wasserstoffwirtschaft
Die herumgeisternden Träume von der Wasserstoffwirtschaft müssen unbedingt geerdet werden. H2 ist keine Primärenergie und hinterlässt bei Erzeugung durch Elektrolyse (und nur diese kommt für grünen Wasserstoff in Frage) sowie Rückverstromung (z.B. per Brennstoffzelle) so viele Verluste, dass der Gesamtwirkungsgrad nahe 20% fällt. Deshalb ist H2 definitiv keine Alternative zur direkten Stromnutzung mit Wirkungsgraden über 90%, wo immer diese möglich ist, z.B. definitiv im Personen-Straßenverkehr und zur Wärmeerzeugung, im Idealfall per Wärmepumpe. Umgekehrt muss H2 direkt oder mittelbar (Power2X, synthetische Treibstoffe) ausschließlich für die Anwendungen reserviert werden, die mittel- bis langfristig nicht elektrisierbar sind, z.B. Flugverkehr und Chemie-/Stahlindustrie, aber nicht für ineffiziente Brennstoffzellen-PKWs (mit dem Bedarf eines zusätzlichen ressourcen- und kostenintensiven H2-Tankstellennetzes).
Daraus lässt sich folgern, dass H2 vor einer 100%-igen EE-Versorgung ausschließlich mit (temporären) Übermengen von Strom aus EE-Anlagen erzeugt werden sollte. Und vice versa betrachtet: Nicht batterieelektrisch speicherbare (Speicher und kaskadiertes Lastmanagement sind der Schlüssel zur Energiewende) Übermengen aus PV oder Windkraft müssen grundsätzlich durch adäquates Lastmanagement und dynamisch zuschalt- bzw. regelbare Lasten auf jeder Ebene (Niederspannung im Hausnetz, Mittelspannung im regionalen Verteilnetz und Hochspannung im Übertragungsnetz) verhindert bzw. in H2, Wärme oder andere Energieträger umgewandelt werden. Das heute praktizierte und für die Zukunft sogar noch verstärkt angedachte SmartMeter-Gateway-gesteuerte Abregeln von EE-Anlagen ist energiepolitisch absolut widersinnig, erzeugt Leerkosten und ist für Anlagenbetreiber frustrierend bzw. für PV-Kleinanlagen völlig intransparent.
Strommarkt, PV und EEG
Irgendetwas läuft grundsätzlich falsch, wenn sich selbst Vertreter der Erneuerbaren Energien einer Terminologie ihrer Gegner bedienen. Als Beispiel sei die BEE-Studie „Neues Strommarktdesign für die Integration fluktuierender Erneuerbarer Energien“ genannt, die gleich zwei Kardinalfehler im Titel trägt: Hier wird sich mit dem Terminus „fluktuierend“ das „Totschlagargument“ der Gegener zueigen gemacht. Dabei wäre diese negative Eigenschaft mit konsequentem Speichereinsatz (keine Anlage ohne Speicher!) weitgehend vom Tisch. Und warum müssen EE in das Strommarktdesign integriert werden? Zur Zeit liefern sie etwa die Hälfte und bis 2030 sollen es 80% der Stromerzeugung sein. Muss es da nicht eher lauten: Wie sieht ein EE-Strommarkt aus und wie lassen sich temporär konventionelle Energieträger darin einbinden? Hoffentlich nicht mit einem separaten „Konventionelle-Energien-Gesetz“, sondern in einem integrierten Energiewirtschaftsgesetz, das die Abweichungen an den relevanten Stellen abbildet. Das geht besonders leicht von der Hand, wenn man das Regelwerk angemessen entrümpelt und private Kleinanlagen fast vollständig davon befreit.
Zur Zeit reden alle über „unbezahlbare“ Energiekosten. Für wen denn? Wohl kaum für alle, sondern für am Existenzminimum lebende Bürger. Denen muss unbedingt geholfen werden, aber nicht in Form subventionierter oder EEG- und CO2-abgabenfreier Energie, sondern generell angesichts einer gallopierenden Inflation. Die Energiepreise selbst sollen schließlich Lenkungswirkung entfalten, also auch bei finanzschwachen Verbrauchern Sparwillen erzeugen. Völlig kontraproduktiv sind hier auch Reduzierung oder Abschaffung von Stromsteuer und/oder Mehrwertsteuer auf Energie, von der verbrauchsintensivere Wohlhabende sowie Unternehmen wieder einmal viel mehr profitieren würden als bedürftige Familien. Auch die angeblich gebeutelte Industrie soll Energie einsparen bzw. selbst EE erzeugen und nicht nur über steigende Kosten jammern.
Beim EEG braucht es dringend eine grundlegende Novelle oder besser dessen Abschaffung und Integration der ballastbefreiten Regelungen in das EnWG. Eine Abschaffung der EEG-Umlage reicht da bei weitem nicht aus und ist im Übrigen aufgrund millionen bestehender Verträge auch gar nicht machbar. Allenfalls eine Umfinanzierung vom Stromverbraucher auf den Steuerzahler wäre möglich. Das macht energie- und klimapolitisch überhaupt keinen Sinn, sondern dient ausschließlich einer populistisch motivierten Reduktion der Stromkosten, die vermutlich aufgrund mangelnder Weitergabe in den Taschen der Energiekonzerne landen wird. Energiekosten eignen sich ohnehin nicht als Instrument sozialen Ausgleichs oder zur Herstellung unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit. Dafür gibt es wahrlich geeignetere Methoden. Wenn man Energiekosten gezielt senkt oder deckelt, könnte man auch gleich auf deren gewollte Verteuerung z.B. durch CO2-Bepreisung verzichten.
Umgekehrt erleben wir das Kuriosum, dass auch EE-Anlagen mit einer EEG-Abgabe belastet werden. Die Umlage soll schließlich EE-Anlagen fördern. Welchen Sinn es dann macht, diese zu ihrer eigenen Förderung zu belasten, bleibt das Geheimnis des Gesetzgebers. Natürlich würde konventionelle Energie ansonsten teurer, was aber exakt der gewünschten Lenkungswirkung entspricht. Kontraproduktiv wäre dann – und ist schon jetzt – eine Entlastung der industriellen Großverbraucher. Wettbewerbsfähigkeit muss man auf andere Weise herstellen. Dazu gibt es jede Menge Vorschläge – bis zur Belegung „schmutzig“ hergestellter energieintensiver Billigimportware (z.B. Stahl, Aluminium etc.) mit Zöllen. Der freie Welthandel kann in Zeiten des dringend notwendigen Klimaschutzes nicht bedeuten, dass der übelste Anbieter die Messlatte definiert.
Es nützt nichts, das EEG von einigen Deformationen der letzten Dekade zu befreien, Paragraphen zu ändern, zu ergänzen und das Gesetz mit weiteren, teilweise völlig unlogischen Ausnahmebedingungen weiter zu verkomplizieren. Allein die Unterscheidungen von Freiland- (im heimischen Garten, als Agri-PV etc. vielleicht durchaus ohne weitere Flächenversiegelung), Aufdach- oder Indachanlage ist genauso absurd wie die von Eigenverbrauch oder Mieterstrom.
Auch beim zukünftig hoffentlich ungedeckelten Zubau der PV gibt es ernsthafte Zweifel, ob die angedachten Maßnahmen die gewünschte Wirkung entfalten. Es geht hier nämlich nicht um ein paar Prozent Steigerung, sondern mindestens um eine Verdreifachung. Kann die butterweiche Solardach-Pflicht für neue Gewerbebauten und die „Sollte“-Regelung für private Neubauten hier die Wende bringen? Abgesehen von der großzügig interpretierbaren „Pflicht“ mit schon jetzt gefühlt unzähligen Ausnahmen, bleibt der Bestand auf der Strecke. Dabei wäre hier mit Nachrüstungen viel mehr möglich.
Zur Entfesselung der PV müssen private Kleinanlagen von allen unnötigen formalen und finanziellen Belastungen befreit werden. Sie schrecken nämlich viele private Investoren trotz technischer und ökonomischer Realisierbarkeit davon ab, auf eigene PV zu setzen. Eine PV-Anlage muss so einfach zu beschaffen sein wie ein neuer Kühlschrank oder eine Waschmaschine. Das hausinterne Netz und die DC-Seite der PV ist reine Privatsache, aus der sich Staat und Netzbetreiber herauszuhalten haben – unabhängig davon, wer den hausinternen Strom verbraucht (Eigentümer oder Mieter). Ohnehin werden private Kleinnlagen mit Speicher die PV-Zubau-Berechnungen ad absurdum führen, weil sich Erzeugung und Verbrauch inkl. sektorgekoppelter Wärme und Mobilität beim Prosumer immer mehr durchmischen und letztlich nach außen nur noch als Verbrauchsminderung in Erscheinung treten. In dieser Hinsicht wird auch das MStR der BNetzA obsolet, weil es allein die Erzeugerseite der Prosumer reflektiert.
Es ist an der Zeit, einmal die Verfassungskonformität des sachlich nicht begründbaren Eingriffs in das private Eigentum und der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (z.B. im Vergleich zur Solarthermie) überprüfen zu lassen. Gesetzgeber und Netzbetreiber haben sich einzig für das zu interessieren, „was hinten rauskommt“, d.h. die maximale Einspeiseleistung am Übergabepunkt zum öffentlichen Netz und die wie auch immer gestaltete Vergütung für den allgemein verfügbaren EE-Überschuss des Objektes. Oberstes Ziel ist immer die effizienteste, netzkonformste und verwaltungsminimierteste Verwendung des selbst erzeugten Stroms im privaten Hausnetz. Dabei ist es völlig egal, ob der Strom vom Eigentümer der Anlage selbst, von Mietern oder den auf dem Dachboden hausenden Waschbären genutzt wird. Wenn der Eigentümer ihn verkauft, soll er das als Einkommensteuer bzw. Mietnebeneinnahme versteuern. Das war’s.
Ansonsten hat eine private PV-Anlage keine Steuerrelevanz, sondern ist eine klimafreundliche „Liebhaberei“ wie der eigene Gemüsegarten – und zwar nicht erst durch Optieren 5 Jahre nach Inbetriebnahme. Die initiale Inanspruchnahme eines Unternehmerstatus mit Gewerbeanmeldung, Vor-und Umsatzsteuererklärungen etc. ist reine Beschäftigungstherapie für Anlagenbetreiber, Finanzämter und Steuerberater, die einen erheblichen Teil des Ertrages verfrühstücken. Es ist geradezu lächerlich, einen solchen Aufwand zu treiben, wenn z.B. eine 10-kWp-Anlage mit hohem Eigenverbrauch kaum 3.000 €/a erwirtschaften kann.
Während es sich absolut gesehen um „Peanuts“ handelt, kann eine private PV-Kleinanlage Renditen erzielen, die bei ähnlich sicheren Investitionen derzeit kaum zu toppen sind. Schon mit weniger als 20% Eigenverbrauch, der mit Sektorenkopplung von Wärme und E-Mobilität mühelos auf weit über 50%, mit Speicher sogar über 90% getrieben werden kann, und z.B. 5 ¢ Mindest-Einspeisevergütung, finanziert sich eine PV-Anlage praktisch vonselbst. Deshalb bedarf eine neue Anlage grundsätzlich keiner Subventionen mehr. Und wenn man schon den Zubau beflügeln will, sollte man über einen Kaufzuschuss als wirksame Anschubsubvention ins Auge fassen (bei E-Fahrzeugen, Wärmepumpen etc. geht das schließlich auch), anstatt eine angemessene Vergütung für den Stromertrag über zwei Jahrzehnte aus „der Glaskugel“ zu ermitteln und damit regelmäßig unter- oder eher überzufördern, ohne einen initialen Kaufanreiz auszulösen.
Energiequellen Windkraft, Biogas und Holz
Bei der Windkraft muss jegliche (nicht nur die völlig abstruse bayerische 10H-Regel) starre Abstandsregel fallen und durch relevante physikalische Parameter (Schlagschattenfreiheit und dbA-Grenzwerte unter Berücksichtigung von Topographie und Hauptwindrichtung an nahen Wohnquartieren) ersetzt sowie zu üppig dimensionierte Abstände zu militärischen und flugverkehrssichernden Anlagen reduziert werden. Sensorischer Schutz vor Vogelschlag ist jederzeit möglich. Umweltauflagen, die zur Zeit von den ewigen Neinsagern mehr gegen die Umwelt instrumentalisiert werden, sind komplett zu überarbeiten und Gutachterkosten als exorbitante Vorabinvestitionen zu vergesellschaften bzw. Beweisumkehr einzuführen. Kläger müssten dann eine relevante Schädlichkeit einer Anlage nachweisen, nicht Anlagenerrichter durch gefühlt 100 Gutachten deren Unbedenklichkeit. Nur so lassen sich angemessene Investitionsrisiken und Planungszeiten unter 1-2 Jahren realisieren. Die zielwidrige willkürliche Konfrontationen von Windkraft und Naturschutz muss jedenfalls aufgelöst werden. Windkraft ist als EE ein impliziter Beitrag zu Umwelt- und Artenschutz.
Änderungen an Neuanlagen gemäß technischem Stand während der Planungs- und Genehmigungsphase dürfen nur dann zum Verfall der Genehmigung führen, wenn die Änderungen nachweislich relevant dafür wären. Das gilt insbesondere auch für das Repowering alter Anlagen, das auf keinen Fall behindert, sondern explizit befördert werden sollte.
Sicher unpopulär, aber gleichwohl richtig: Gegebenfalls müssen auch Kleinsiedlungen bis zu n (?) Häusern einem geplanten Windparkstandort weichen und deren Eigentümer entschädigt werden. Schließlich war und ist es leider immer noch möglich, ganze Ortschaften dem schmutzigen Braunkohletagebau zu opfern.
Biogas hat den Vorteil, netzdienlich als Flexibilität zu fungieren und (gekoppelt) Prozess- und/oder Nahwärme für Wohnsiedlungen zu erzeugen. Die Kapazität lässt sich hier kurzfristig durch breitere Nutzung von Bioabfällen und dem in der Landwirtschaft anfallenden Gülle-Überschuss drastisch erhöhen, auch ohne weitere Mais-Monokulturen dafür anzulegen. Allerdings darf die Wärmekomponente nicht überbewertet werden oder gar zu Zwangsmaßnahmen führen. Einer Neubausiedlung Nahwärme-Anschlusszwang zu verordnen, ist reichlich sinnwidrig. Dort sollten nur Häuser mit hohem energetischen Baustandard (vornehmlich Passivhäuser) entstehen, deren Wärmebedarf derart gering ist, dass eine Nahwärmeversorgung sowohl ökologisch als auch ökonomisch überhaupt nicht darstellbar wäre.
Holz verbrennen gilt nach EU-Recht und EEG als CO2-neutral und deshalb förderungswürdig. Das sehen sogar „Ökos“ so. Die glauben auch noch an den Weihnachtsmann auf dem Rentier-Schlitten (dabei fährt der schon lange Motorschlitten). Doppelter CO2-Ausstoß pro kWh gegenüber fossilem Erdgas, keineswegs CO2-neutrale Ernte und Verarbeitung sowie massenhaft Schadstoffausstoß. Allein private Kamine und Holzheizungen hauen mehr Feinstaub raus als der gesamte Autoverkehr. Und nun kommen Energiekonzerne wie Vattenfall und RWE auf die geniale Idee, die Holzverbrennungssubventionen doch mal etwas größer skaliert auszuschöpfen, indem sie ganze Kraftwerke auf den Brennstoff Holz umstellen. Davon gibt es ja jede Menge in den klimageschädigten Wäldern und in riesigen Monokulturen mt Pappel- oder Miscantus-Energiepflanzen – oder?
Digitalisierung
Dringender Handlungsbedarf besteht sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene im Hinblick auf den völlig falschen Ansatz zur „Digitalisierung der Energiewende“, der mit entsprechenden EU-Regelungen und dem gleichnamigen deutschen Gesetz von 2016 ohne Sinn und Verstand vorangetrieben wird. Er setzt Lobbyinteressen von Versorgern, Netzbetreibern und Metering-Industrie durch, benachteiligt Prosumer insbesondere durch Eingriffe in das Privateigentum, ungerechtfertigte Abregelungen, profilingfähige Datensammungen und höhere Kosten für SmartMeter, Messstellenbetrieb, aufwändigere Zählerschränke etc.. Letztlich wird der Ansatz, alles zentral steuern zu wollen, in realitas mit millionen von Anlagen komplett scheitern und die Netze vulnerabel machen.
Umgekehrt lassen sich resiliente Netze nur durch maximale Dezentralisierung realisieren. Das wollen Netzbetreiber aber nur hinsichtlich der privaten Investitionen in dezentrale Anlagen, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren. Deshalb führt der aktuell eingeschlagene Weg zu einer Rezentralisierung der Stromversorgung durch die Hintertür der Digitalisierung. Da wird es in einigen Jahren ein böses Erwachen geben.
Abregelungen dezentraler Kleinanlagen machen überhaupt keinen Sinn, solange eine EE-Unterdeckung besteht. Stattdessen müssen Übermengen bestmöglich gespeichert (keine PV ohne Speicher mehr!), von schnell schaltbaren Lasten („Flexibilitäten“) aufgenommen bzw. in H2 oder Wärme umgewandelt werden. Das Lastmanagement muss per Gebäudeleittechnik lokal und erst dann im Quartier bzw. Verteilnetz der Stadtwerke mit Metering und Großspeicher ab dem letzten Trafo von 10.000V-Mittel- auf 400V-Niederspannung erfolgen. Ziel muss immer ein möglichst erzeugernaher Verbrauch oder besser eine verbrauchernahe Erzeugung sein.
Kontraproduktiv sind da auch die „aus dem Boden schießenden“ virtuellen Kraftwerke, die rein ökonomisch motiviert sind, aber einen riesigen technischen und administrativen Steuerungsoverhead erzeugen sowie Verteil- und Übertragsnetze zusätzlich belasten, wenn z.B. ein Erzeuger in Hamburg an einen Abnehmer in München verkauft. Auch die entstehenden volatilen Preise erzeugen einen unangemessenen Aufwand bei Metering und Abrechnung sowie Intransparenz (weil nur noch algorhitmisch, aber nicht mehr vom Prosumer nachvollziehbar), um kleine Preisvorteile von wenigen €¢ bei einem davongallopierenden Strompreis jenseits der 30 ¢/kWh zu erzielen. Zudem geht der Trend, nicht nur bei Internet und Kommunikation, genau gegenläufig hin zu Flat-Rates. Niemand möchte sich mehr komplizierte und schwerlich nachvollziehbare Einzelabrechnungen antun.
Also: Das Gesetz von 2016 und der seit 2020 laufende SmartMeter-Rollout sind kein Beitrag zur Energiewende, sondern ein gigantisches Konjunkturprogramm für die Industrie mit Millionen neuer „intelligenter“ Zähler und Gateways, sowie eine Einladung zu datengetriebenen Geschäftsmodellen der Netzbetreiber und Drittnutzer. Es entmündigt Prosumer völlig, sorgt für eine Rezentralisierung der dezentralen Energiewende durch die Hintertür der Digitalisierung, schafft durch IoT-Vernetzung von allem mit allem und KI-gestütztem BigData-Handling absolut vulnerable Netze, die niemand wirklich wollen kann.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck und insofern auch ein Gesetz zu diesem Zweck völlig obsolet. Sie ist ein Werkzeug, mit dem Anlagenkomponenten in einem Gebäude sinnvoll interagieren und lokales Lastmanagement (via GLT) mit netzdienlich minimierter Volatilität am Übergabepunkt zum öffentlichen Verteilnetz gestalten können. Ein teurer Ausbau der Verteil- und Übertragungsnetze wird damit weitgehend entbehrlich. Das Gesetz ist folglich nicht nur überflüssig, sondern geradezu kontraproduktiv. Die auch datenschutzmäßig hochgradig bedenkliche SmartMeter-Pflicht ist sofort aufzuheben.
Weitere Ausführungen zur Digitalisierung der Energiewende folgen. Zum Digitalisierungsdruck allgemein wäre anzumerken, dass er in der Praxis oft zu unbrauchbaren Schnellschüssen führt, die keinen Vorteil mehr erkennen lassen, aber – entgegen allen beschönigenden „Heilsversprechen“ – in jedem Fall zu mehr Energieverbrauch. Auch hier werden alle Effizienzgewinne von ITK- und CE-Hardware durch intensivere Nutzung und immer höhere Zugriffsfrequenzen, Datenmengen und Bandbreiten zunichte gemacht.
Gebäude
Der Anteil von Gebäuden am gesamten Energiebedarf und CO2-Ausstoß ist mit fast 30% höchst relevant. Gleichzeitig geht die notwendige Reduktion äußerst schleppend voran, weil – wie auch in anderen Sektoren – Effizienzgewinne durch zunehmende Anzahl und Flächengrößen pro Person überkompensiert werden, zu wenig und zu fehlerhaft saniert wird und neue Gebäude schon bei Bezug energetisch sanierungsbedürftig sind. Das wiederum liegt einerseits an immer noch unzureichenden Baustandards inkl. deren regelmäßiger Unterbietung in der realen Ausführung (nur Plandaten bei fehlender Kontrolle), andererseits an Fehlförderungen für Gebäude und Heizungssysteme, z.B. beim Ersatz einer Ölheizung durch eine ebenfalls fossile Gas-Therme.
Nun hat BMWi- und Klima-Minister Habeck zumindest die KfW-„Effizienzhaus“-Förderung kassiert (auch wenn er nach Protesten der Bauindustrie wieder ein wenig zurückgerudert ist) – leider nicht aus Einsicht in die Fehlförderung, sondern aufgrund leerer Fördertöpfe und weil sowieso weitgehend nach KfW55 gebaut werde. Ersteres liefert ein falsches Signal und bei letzterem ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Das glaubt nämlich nur jemand, der noch nie eine Baustelle betreten hat. Nicht einmal auf den häufig schöngerechneten Bauanträgen gilt überwiegend dieser Standard, erst recht nicht in der Bauausführung, deren energetisches Ergebnis niemand wirklich in realitas prüft (der Energieausweis ist eine Farce).
Der einzig förderungswürdige Baustandard wäre der seit über drei Jahrzehnten technisch-physikalisch konsistent definierte und inzwischen mehr als ausreichend praxiserprobte Passivhausstandard mit wärmebrückenfreier Dämmung der Außenhaut inkl. dreifach verglaster Fenster mit Edelgasisolierung zur Minimierung der Transmissionswärmeverluste und dichter Ausführung mit mechanischer Belüftung inkl. WRG zur Minimierung der Lüftungswärmeverluste. Hinzu kommt eine möglichst auf die Südost- bis Südwest-Fassade beschränkte großzügige Verglasung, deren passiver solarer Ertrag gemeinsam mit Abwärme von Menschen und Technik für eine weitgehend passive Deckung des minimierten Wärmebedarfes sorgt. Daher die Bezeichnung Passivhaus (PH).
Die Gegenüberstellung des s.g. Aktivhausstandards durch einige prominente „Solar“-Architekten ist grober Unfug. Beim PH geht es darum, den Wärmeverlust so zu Minimieren, dass die auch hier sinnvollen aktiven Komponenten (PV-Anlage, GLT, Lastmanagement etc.) eine bestmögliche Versorgung des monovalent mit Strom versorgten Gebäudes nebst Sektorenkopplung (Mobilität) möglich wird. Anstatt den ggf. selbst erzeugten Strom für die Wärmeerzeugung zu vergeuden, sollten Übermengen vor Ort genutzt, gespeichert, umgewandelt, den Nachbarn oder dem Verteilnetz zur Verfügung gestellt werden. Es macht also keinen Sinn, einen schlecht gedämmten Neubau (anders als bei Nachrüstungen) nur mit schierer PV-Größe zum nominalen Plusenergiehaus zu machen. Was nützt eine Solarpflicht, wenn z.B. eine 10-kWp-PV mit einem Ertrag von ca. 10 MWh/a ausschließlich 10 MWh/a unsinnigen thermischen Verbrauchs bilanzmäßig kompensiert? Wir haben nicht mehr die Wahl des entweder-oder, sondern müssen an allen Schrauben gleichzeitig drehen.
Eine kompetente Planung hält die Mehrkosten eines PH durchaus unter 5%. Das entspricht bei vielen Neubauten ziemlich genau der KfW55-Förderung, die beim PH sinnvoller angelegt wäre, um endlich klimafreundliches Bauen durchzusetzen. Die generellen Preisanstiege von Bau- und insbesondere Grundstückskosten in den letzten Jahren betragen allerdings ein Vielfaches davon. Hat das bei Niedrigstzinsen irgendwen gehindert, doch zu bauen und sich – ggf. statt Energieeffizienz – ein luxuriöses Bad und eine repräsentative Küche zu gönnen?
Also, solares Bauen in Bebauungsplänen grundsätzlich möglich machen, Passivhäuser fördern oder gar vorschreiben, dazu eine PV-Anlage ohne Bürokratie, aber unbedingt mit Speicher (zur Eigenverbrauchsoptimierung bei netzdienlicher Senkung der Volatilität), Rest-Wärmedeckung und Warmwasser monovalent mit Strom per (möglichst geothermischer) Wärmepumpe, effiziente LED-Beleuchtung, Anlagen und Haushaltsgeräte. Darüber hinaus könnte der Verzicht auf Architektur mit ungünstigem O/V-Verhältnis sowie auf Kippfenster (sonst wird man diese unsinnige Lüftungsmethode nie los) und viele kleine Optimierungen zu wirklich effizienten Gebäuden und damit einem relevanten Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz führen. Als Sahnehäubchen empfiehlt sich eine Gebäudeleittechnik mit Gebäudeautomation zur bedarfsgerechten sowie Lastmanagement zur erzeugungskompatiblen Steuerung aller Verbraucher.
Verkehr
Dieser Sektor hat noch weniger als die Gebäude zur Energiebedarfs- und CO2-Reduktion beigetragen. Leider sieht es auch nicht so aus, als ob sich das unter den geltenden und für die nahe Zukunft geplanten Regularien nennenswert ändern würde.
Bahnschienenausbau bzw. Reaktivierung stillgelegter Strecken, ÖPNV und Fahrrad-Infrastruktur dümpeln weiter vor sich hin und vermeindlich klimafreundliche Alternativen zum Auto erweisen sich zunehmend als Belastung, weil z.B. E-Bikes und E-Scooter, die auch zur Vermüllung der Städte beitragen, überwiegend zum Spaß bewegt werden anstatt bei Funktionsfahrten auf der Kurzstrecke das Auto zu ersetzen. Dabei verbrauchen sie zusätzlich elektrische Energie, die zu einem großen Teil immer noch aus dem allgemeinen Strommix mit hohem fossilen Anteil gewonnen wird.
Beim „heiligen“ Thema Auto läuft leider alles falsch – zumindest für das Klima, aber nicht für die Gewinne der Konzerne und Dividenden der Stakeholder, die zur Zeit nur von Chip-Mangel, Lieferkettenproblemen und geopolitischen Verwerfungen ausgebremst werden. Man setzt inzwischen auf E-Antriebe, baut allerdings weiter den ganzen Unfug, den man schon mit Verbrennern auf die Straße gebracht hat. Kaum ein E-Auto sieht aus wie ein solches (filigran mit anderen Proportionen und besserem Größen-Nutzungsverhältnis), sondern setzt das „Wettrüsten“ der Verbrenner elektrisch fort. Die Autos werden zumindest bis zur Mittelklasse (sonst passen sie nicht mehr in die Infrastruktur) von Generation zu Generation größer, erscheinen meist als überflüssig hohe und schwere SUVs und sind überdimensioniert motorisiert. Unter 300 kW (bei E-Autos wäre endlich mal die lange scheintote Einheit PS zu beerdigen) Leistung kann man da kaum noch im Potenzgebahren mithalten. Der Verbrauch in kWh ist den meisten unverständlich bis egal, zumindest solange die Über-Förderung mit etwa 10.000 € die Mondpreise der Hersteller kompensiert und die Einsparungen dadurch auch noch quasi als positive Eigenschaft ihrer Produkte werbewirksam kommuniziert werden („Umweltprämie“).
Die Politik forciert die Transformation zur E-Mobilität, aber versäumt es bisher, deren Deckung mit „grünem“ Strom sowie die alleinige Nutzung von solchem bei allen Besitzern sicherzustellen. Stattdessen überfördert sie E-Autos und subventioniert sogar noch Plug-in-Hybride mit Alibi-E-Antrieb, die überwiegend als Verbrenner bewegt werden und dabei die geschönten Mix-Verbrauchswerte der Hersteller als Fake enttarnen. Welchen Sinn macht es, ein kurzfristiges Verbrennerverbot zu diskutieren und gleichzeitig solche noch bis 2025 mit fast 7.000 € aus Steuermitteln zu fördern. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer für die Erhaltung „toter“ Arbeitsplätze zu subventionieren, während gleichzeitig qualifizierte Fachkräfte bei Solar- und Windkraft fehlen, ist übrigens nicht nur ökologischer, sondern auch volkswirtschaftlicher Unfug.
Über die fortbestehende Fehlsubvention des Dieselkraftstoffs, die (erhöhte) Pendlerpauschale und das Dienstwagenprivileg mag man schon gar nicht mehr sprechen. Zu allem Überfluss der Fehlregulierung muss sich dann nur noch eine Senkung der Energiesteuern gesellen, um jegliche Lenkungswirkung Richtung Energiewende und Klimaschutz zu verfehlen, dabei das Gemeinwohl zu schädigen und öffentliche Mittel zu verplempern statt Einsparungen für sinnvolle Transformationsbeiträge zu betreiben.
Die Überförderung von heimischen Wallboxen mag auch niemand beseitigen. Diese sind – auch dank Förderung – viel zu teuer, in den meisten Fällen überflüssig und mit hoher Ladeleistung weder batterieschonend noch netzdienlich. Im alltäglichen Kurzstreckenverkehr sind täglich oder gar nur wöchentlich wenige kWh im Speicher des E-Autos aufzufüllen. Das schafft man auch mit einer normalen einphasigen Steckdose bei 10 A mit etwa 2 kW Ladeleistung locker über Nacht oder tagsüber an der Arbeitsstelle.
Aber es geht ja noch doller mit der verpassten Verkehrswende. Nicht einmal eine in allen zivilisierten Staaten geltende generelle Geschwindigkeitsbegrenzung (hier vielleicht auf moderate 130 km/h) ist angedacht. Dafür sorgt die „Freie-Fahrt-für-freie-Bürger“-Partei in der Koalition. Man kann es nur noch als beschämend ansehen, dass diese einfache und kostenlose Regelung mit vielen positiven Nebeneffekten über den Klimaschutz hinaus (Reduktion schwerer Unfälle und des Schilderwaldes sowie bessere Verkehrsflüsse und weniger Staus) in unserem Land offensichtlich als Sakrileg angesehen wird, weil es als High-Speed-Fahrspaß-Killer wirkt und angeblich die deutsche Autoindustrie schädigt – warum auch immer sich die meisten PS-, sorry, kW-starken Boliden aus deutscher Produktion ausgerechnet in Staaten mit rigiden Tempolimits (USA, China, VAE etc.) verkaufen. Ein Tempolimit würde allen zugute kommen und – im Gegensatz zum Sicherheitsgurt oder Airbag – wie die CoVID-Impfung auch fremdes Leben und Gesundheit schützen. Gleichwohl wurde sogar die nur selbstschützende Gurtpflicht nach kurzem Protest vor über vier Jahrzehnten akzeptiert.
Vielleicht sollten NGOs wie Greenpeace, Deutsche Umweltstiftung oder EUROSOLAR mal erwägen, ein Tempolimit beim BVerfG einzuklagen. Gleichzeitig könnte man interessengesteuerte Fehlsubventionen, die eindeutig gegen den Klimaschutz wirken, auf dem Klageweg bekämpfen. Wenn es FFF und Greenpeace möglich war, der Regierung mit relativ unscharfen Forderungen nach ernsthaftem Klimaschutz per BVerfG erfolgreich Beine zu machen, dürfte es doch in solch konkreten Fällen widriger Gesetzgebung erst recht möglich sein. Das wäre auf jeden Fall zielführender, als VW wegen fortgesetzter Verbrennerstrategie zu verklagen, die andere Hersteller bei noch weniger E-Fortschritt leider auch vertreten, solange es die Gesetzgebung erlaubt.
Letztlich wären hier noch Luft- und Seeverkehr zu betrachten. Einen zeitnahen Fortschritt kann – aufgrund der noch lange nicht verfügbaren EE-Menge für H2 und synthetische Treibstoffe sowie der langen Entwicklungs- und Betriebsdauer bei Flugzeugen und Schiffen – nur die verminderte Nutzung bringen, auch wenn diese ein Schreckgespenst für Luft-, Frachtschiff- und Kreuzfahrt-Konzerne darstellt, die gerade nach zwei Jahren Corona nicht nur eine Aufholjagd betreiben, sondern nach zusätzlichem Wachstum gieren. Deshalb ist nicht nur freiwilliger Verzicht auf Flugreisen, Kreuzfahrten und Übersee-Waren mit langen Frachtrouten angesagt, sondern auch ein Eingriff des Gesetzgebers. Ein Verbot von Kurzstreckenflügen und der Verwendung von Schweröl statt Schiffsdiesel sowie Landstrompflicht gehören ebenso dazu wie modulierende Eingriffe mit Lenkungswirkung, z.B. endlich einmal eine Besteuerung des Kerosins, damit der Luftverkehr nicht dauerhaft allein ohne Energiesteuern als unfairer Wettbewerber agieren kann und die Ticketpreise – vor allem die der Billigflieger – zwangsläufig teurer werden müssen.
Agrar- und Ernährungswende
In dieser Abhandlung wollen wir uns hauptsächlich auf die technischen Aspekte der Energiewende konzentrieren und müssen dieses Thema deshalb weitgehend ausklammern. Dabei liegt es auf der Hand, dass auch hier extremer Handlungsbedarf besteht, aber auch jede Menge Chancen, die Belastung von Umwelt und Klima zu reduzieren. Natürlich brauchen wir mehr Biodiversität, mehr Tierwohl, weniger Fleischkonsum, weniger Gülle und Nitrat im Boden und Grundwasser. Mit überschüssiger Gülle lässt sich übrigens Biogas herstellen, das wiederum zur Stromerzeugung und Nahwärmeproduktion dient und gleichzeitig eine gut regelbare Flexibilität im Netz bereitstellt.
Es geht dabei auch um die Streichung von Subventionen mit bescheidener oder gar kontraproduktiver Lenkungswirkung sowie um fehlsteuernde Gesetzgebung. EU-Agrarsubventionen sind neuerdings zu „satten“ 25% an ökologische Auflagen gebunden und werden ansonsten wirkungslos oder gar sinnwidrig nach Flächengrößen gestreut. Statt wie in Frankreich die Lebensmittelverschwendung gesetzlich einzudämmen, wird die Reaktivierung brauchbarer Lebensmittel im Abfall („Containern“) als Diebstahl-Straftat verfolgt.
Conclusio
In allen Sektoren gibt es jede Menge Handlungsbedarf, aber auch Chancen, und zwar sowohl durch zielgerichtete Regulierung als auch Abbau unnötiger Überregulierung, sowohl durch technische Lösungen als auch durch intelligente Finanzierungsmodelle. Warum spricht man nahezu ausschließlich über die angeblichen Kosten der Energiewende anstatt durch konsequente Streichung von Fehlsubventionen (in allen Sektoren, s.o.) Milliardenbeträge für sinnvolle EE-Investionen oder deren Förderung zu mobiliseren? Ein Heer von hoch dotierten Beratern hat leider nichts Besseres im Sinn, als Subventionen sinnwidrig und/oder aus Selbstzweck bzw. Mitnahmeeffekt abzugreifen.
Der geradezu schizoide Umgang mit Steuerungsinstrumenten muss sofort beendet werden, also z.B. kein Verbrennerverbot betreiben, während man an der teuren Subventionierung dicker Hybrid-SUVs mit starken Verbrennungsmotoren und Alibi-E-Motörchen mit 40 km Batterie-Reichweite festhält. Aber den Kohleausstieg mit 50 Mrd. € für Entschädigungen und Infrastrukturmaßnahmen zu vergolden, während man in der letzten Dekade klammheimlich 120.000 Arbeitsplätze in der PV- und Windkraftbranche vernichtet hat, ist sicher der übelste Umgang mit Steuersubventionen.
Auch in bislang unvorstellbaren Kriegszeiten in Europa macht der Klimawandel nicht halt – im Gegenteil. Die blinde Zerstörungswut der russischen Armee wird auch diesbezüglich eine negative Wirkung entfalten. Aber zumindest als Weckruf mag der Angriff auf die Ukraine taugen, für den Zusammenhalt der freien Demokratien und die (leider späte) Erkenntnis, dass wir uns nur mit EE aus energiepolitischen Abhängigkeiten befreien können. Trotz aktueller Dominanz von Außen- und Sicherheitspolitik mit geradezu atemberaubenden Kehrtwendungen, muss sich Ähnliches bezüglich der Energiewende bewegen. Von guter Ausgangsstimmung der drei Ampelkoalitionäre mit diffusem „Aufbruch“ und „Erneuerung“ der Bundesrepublik alleine sparen wir leider keine Tonne CO2 – auch nicht durch eine noch so beschworene Digitalisierung.
Unser Grundproblem, warum wir den Klimawandel nicht wirksam bekämpfen und in Abhängigkeiten von gefährlichen autokratischen Systemen (vornehmlich Russland und China) verbleiben, geht wohl auf die dominierende Wirtschaftsorientierung zurück. Ein halbes Jahrhundert nach den „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome (veröffentlicht am 2.3.1972) hat die Menschheit diesbezüglich leider immer noch nicht wirklich dazugelernt.