In der Zeitenwende ist das alte Rezept der fossil-atomaren Energieaußenhandelspolitik ein Irrweg.
Der Ukrainekrieg führt den demokratischen Staaten Europas schonungslos vor Augen, in welcher existenziellen Abhängigkeit sich Gesellschaft und Wirtschaft von fossil-atomaren Importenergieträgern befinden. Energie ist unser wirtschaftliches und soziales Fundament. Staaten, die hier erpressbar sind, setzen ihre Selbstbestimmung aufs Spiel. Das zeigen leergefahrene Gasspeicher in der Hand von Gazprom genauso wie die Preisexplosion bei Diesel, Benzin und Heizöl durch die Oligopolstrukturen auch der nicht-russischen Mineralölindustrie.
Die Befreiung aus der fossil-atomaren Abhängigkeit ist für EUROSOLAR seit der Gründung im Jahr 1988 die wesentliche Triebfeder. Wir beobachten nun mit Sorge, wie sich Deutschland von einer fossil-atomaren Abhängigkeit (Russland) in die nächste (Naher Osten, Nordamerika) zu begeben droht.
Anstatt die verbrauchten Kategorien der fossil-atomaren Energieaußenhandelspolitik zu strapazieren, müssen neue Wege zur Energieautonomie beschritten werden – sonst wird die Rede von der Zeitenwende zur hohlen Phrase. EUROSOLAR schlägt neue Handlungsmaximen für die deutsche Politik vor, mit denen folgende Ziele erreicht werden können:
- Energiesicherheit statt fossil-atomarer Abhängigkeit.
- Selbstbestimmung statt Erpressbarkeit.
- Resilienz statt Verwundbarkeit.
- Preisgünstigkeit statt willkürlicher Preistreiberei.
Erste Maxime:
Konzentration der Anstrengungen auf heimische Friedens- und Freiheitsenergien und ultimative Beschleunigung ihres Ausbaus
Heimische Erneuerbare Energien sind die einzigen Energieträger, auf die wir uns dauerhaft verlassen können. Im Gegensatz zu inländischen fossil-atomaren Energieträgern stehen sie in ausreichender Menge zur Verfügung und sind unerschöpflich.
Die Energieerzeugung aus Erneuerbaren Energien ist inzwischen kostengünstiger als aus fossil-atomaren Energieträgern. Diesen Trumpf für eine preisgünstige und sichere Energieversorgung aus Erneuerbaren Energieträgern haben wir uns durch das weltweit kopierte Erneuerbare-Energien-Gesetz erarbeitet.
Selbst angelegte Fesseln blockieren den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Das geplante Sofortprogramm muss vorgezogen und beschleunigt werden. Insbesondere muss die Abhängigkeit von der Beihilfenkontrolle der EU-Kommission abgelöst werden, um alle notwendigen Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien unverzüglich starten zu können (siehe EUROSOLAR-Sofortprogramm: Ultimative Beschleunigung der heimischen erneuerbaren Friedens- und Freiheitsenergien).
Der noch vor dem Ukrainekrieg geschriebene Entwurf für ein Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 (EEG 2023) wird den Herausforderungen zur beschleunigten Ablösung von den fossil-atomaren Energieträgern nicht mehr gerecht.
Das Ziel heißt: Noch vor dem nächsten Winter muss eine Vielzahl neuer EE-Projekte durch vorgezogene Sofortmaßnahmen umgesetzt sein (siehe EUROSOLAR-Sofortprogramm ultimative Beschleunigung der heimischen Freiheitsenergien).
Zweite Maxime:
Konsequente Loslösung von den Abhängigkeitsenergien Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran
Bei fast allen fossilen Energieträgern ist Deutschland zu einem Großteil von Russland abhängig (Erdgas, Erdöl, Steinkohle und Uran). Die Rufe nach Laufzeitverlängerungen für Atom- und Kohlekraftwerke oder für Tankrabatte an den Zapfsäulen sind daher Reflexe aus alter Zeit. Alle diese Maßnahmen verschärfen die Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Ressourcen. Jede Senkung des fossil-atomaren Energieverbrauchs, insbesondere bei Erdgas, Erdöl, Steinkohle und Uran, ist ein Beitrag für mehr Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen und dient der Sanktionierung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Der konsequente Umstieg auf heimische Erneuerbare Energien ist die stärkste Antwort auf den Ukrainekrieg, weil sie Deutschland strukturell aus der Abhängigkeit von Präsident Putin führt.
Für Rollbacks, fossile Sackgassen und Mutlosigkeit haben wir weder Zeit noch Geld. Die Unabhängigkeit von Energieimporten muss jetzt konsequent eingeleitet werden. Sie ist verbunden mit einem dauerhaften Konjunkturprogramm, das durch Ablösung teurer Energieimporte und ihrer Ersetzung durch heimische Produktion und Arbeit, nachhaltiges Wachstum bringt und dabei gleichzeitig das Klima schützt.
Dritte Maxime:
Entfesselung des gesellschaftlichen Potenzials – Friedens- und Freiheitsenergien sind dezentral
Die Zeitenwende erfordert neues Denken. In der Gesellschaft steckt die größte Kraft für die Resilienz unserer Energieversorgung. Das Streben nach Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in den Familien, den Hausgemeinschaften, Ortsteilen, Kommunen und Betrieben zu wecken und durch Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge miteinander zu vernetzen, macht das Energiesystem unverletzlich. Auf dramatische Weise wird uns in der Ukraine vor Augen geführt, wie verwundbar eine Gesellschaft ist, die auf zentralistische Strukturen der atomaren Energieversorgung setzt. EUROSOLAR setzt sich deshalb für eine Stärkung der dezentral organisierten Bürgerenergie ein.
Vierte Maxime:
Energiespeicher und Sektorenkopplung statt der Erdgas-Brücke ins solare Energiezeitalter
Die Brücke Erdgas ins solare Energiezeitalter hat Präsident Putin selbst gesprengt. Da sie nie notwendig war, sollten wir sie nicht durch klimaschädliches und teures Fracking-Gas aus Nordamerika und Flüssiggas aus dem Nahen Osten ersetzen. Diversifizierung der Energieversorgung hört sich schön an. Wenn sie aber bedeutet, die eine fossile Abhängigkeit von Autokraten durch die nächste zu ersetzen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch diese neuerliche Verstrickung zur Fessel wird. Aus Gründen des Klimaschutzes ist eine Brücke Erdgas ohnehin nicht mehr vertretbar, da die Treibhausgaswirkung der gesamten Erdgaskette vergleichbar ist mit der Verbrennung von Kohle.
Einzig vertretbar ist der direkte Weg zu den ohnehin notwendigen Energiespeichern und der Sektorenkopplung durch Elektrifizierung der Bereiche Wärme und Mobilität. EUROSOLAR arbeitet mit der Internationalen Speicherkonferenz IRES seit Anfang der 2000er strategisch an der Speicherfrage. Erforderlich ist eine Neue Energiemarktordnung, die auf das Zusammenwachsen der Energiemärkte setzt, indem Barrieren zwischen den Strom-, Wärme-, Gas- und Kraftstoffmärkten abgebaut werden, u.a. dürfen Speicher nicht als Letztverbraucher eingestuft werden. Für die Markteinführung von Energiespeichern und der Sektorenkopplung ist ein klarer regulatorischer Rahmen erforderlich. Als wichtige Flexibilitätsoption müssen Speicher sowohl auf Netz- als auch auf Erzeugerseite gleichberechtigt mit den anderen Flexibilitätsoptionen im Markt agieren können.
Ziel ist Energieversorgungssicherheit durch Energiespeicher. Die Kosten für das neue Energiesystem werden zumeist überschätzt. Durch die Preisgünstigkeit insbesondere von Solar- und Windenergie ist der Kostenaufwand für ein erneuerbares Energiesystem insgesamt geringer im Vergleich zu Neuinvestitionen in das alte fossil-atomare Energiesystem.
Fünfte Maxime:
Energiepreiskontrolle durch Kartellrecht statt durch Subventionen für fossile Energieträger
Um die sozialen Folgen fossiler Energiepreissteigerungen durch Konflikte um fossile Ressourcen zu mildern, sind kurzfristig Instrumente der kartellrechtlichen Preiskontrolle sinnvoll. Subventionen für fossile Energieträger, wie Tankrabatte, verschärfen das strukturelle Problem der Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas. Die alte fossil-atomare Energiewirtschaft ist hoch konzentriert und gerade die bislang kaum kontrollierte Mineralölwirtschaft setzt Preise oft willkürlich jenseits der Kosten fest. Dem muss Einhalt geboten werden.
Nachhaltig sozial wirkt nur der Ausbau Erneuerbarer Energien. Die Technologien der Erneuerbaren zur Energieerzeugung sind inzwischen die preisgünstigsten von allen. Bei Erneuerbaren Energien können auch die in dieser Krise beunruhigenden willkürlichen Preissprünge ausgeschlossen werden. Kosten für die Energieerzeugungsanlage sind vorhersehbar und die am stärksten eingesetzten Energieträger Wind und Solarstrahlung sind kostenfrei.
