Claus P. Baumeister: Zeitenwende?

25.05.2022: Kommentar von EUROSOLAR-Kurator Claus P. Baumeister

25.05.2022: Kommentar von EUROSOLAR-Kurator Claus P. Baumeister

Alle reden von „Zeitenwende“. Schon aufgewacht? Diese findet seit vielen Jahren statt, spätestens seit Beginn der 2000er Jahre. Vom Klimawandel hat natürlich niemand etwas gewusst, weil die Wissenschaftler seit Jahrzehnten in unverständlichen Sprachen kommunizieren und die „Einschläge“ noch nicht nahe genug gekommen sind.

Die mehr als fahrlässige Abhängigkeit von Putins billiger Energie und Rohstoffen konnte auch niemand ahnen, schließlich hat unser Altkanzler Schröder die völlige Unbedenklichkeit attestiert und der aktuelle Kanzler bezüglich Nord Stream 2 noch im Februar 2022 von einem rein privatwirtschaftlichen Projekt gesprochen. Und der bestialische Überfall der russischen Streitkräfte auf die Ukraine war im deutsch-europäschen Friedenstaumel auch unmöglich vorauszusehen, weil Putin doch seit zwei Jahrzehnten nur friedfertige Statements abgegeben, nur Terroristen und nicht etwa Regimegegner in den Gulag geschickt, nicht wirklich ernstgemeinte Kriege in Georgien, Tschechenien, Syrien etc. geführt und die Krim nur zur Entnazifizierung annektiert hat.

Wieso spricht man – explizit auch unser Bundeskanzler – nun ernsthaft von Zeitenwende? Um die Naivität und/oder rein ökonomisch motivierte Ignoranz der tatsächlichen Verhältnisse im Umgang mit zunehmend autoritär und aggressiv geführten „Big Playern“ zu entschuldigen?

Auch das WEF in Davos hat die Zeitenwende jetzt gerade erst entdeckt. Vor zwei Jahren (2021 fiel die Konferenz Corona zum Opfer) fand man es noch angemessen, Xi Jinping das Grußwort zu überlassen. Schließlich handelt es sich auch bei ihm um einen lupenreinen Demokraten, der nie darüber gesprochen hat, dass er China mit Datenklau, Raubkopien, erpresserischen Auslandsinvestitionen, Seidenstraßen-Nostalgie, interner Unterdrückung und massiver Aufrüstung der Streitkräfte zur wirtschaftlich, wissenschaftlich und militärisch dominierenden Weltmacht machen will, der absolut keinerlei imperialistische Ambitionen zeigt und sich strikt an Völkerrecht hält – abgesehen vom Umgang mit Uiguren, dem Bruch des HongKong-Vertrages, der militärischen Ausbreitung in fremden Hoheitsgewässern des südchinesischen Meeres etc.. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wird man überrascht die Annexion Taiwans zur Kenntnis nehmen und sich das von Biden erneuerte Beistandsversprechen der USA als Makulatur erweisen.

Aber bis dahin machen wir noch gute Geschäfte mit einer menschenfeindlichen Diktatur, liefern tolle deutsche Autos – zumindest bis China in Kürze den Export umkehren wird – verkaufen unsere Technikperlen wie den Roboterhersteller Kuka samt Know-how und hängen an Seltenen Erden, chinesischer IT-, CE- und Textilware wie ein Intensivpatient an der EKMO. Natürlich dulden wir auch den über das ideologische Maß hinausgehenden Schulterschluss mit dem anderen großen Diktator Putin, bevor wir auch nur im Ansatz darüber nachdenken, uns endlich aus der Abhängigkeit von beiden Potentaten zu lösen – solange es noch möglich ist.

Neben der großen Weltpolitik hätten wir noch eine weitere Zeitenwende, nämlich die der Digitalisierung um jeden Preis. Auch hier werden sich später einige verwundert die Augen reiben, weil sie ja angeblich nichts davon wissen konnten, dass wir in einigen Bereichen, allen voran bei der Digitalisierung der Energiewende, den völlig falschen Weg einschlagen und ohne Not vulnerable Netze unter voller Entmündigung der Prosumer schaffen, weil die meisten Akteure überhaupt nicht wissen, worauf sie sich einlassen. Die Protagonisten des Irrweges hingegen nehmen diese Zeitenwende schon vorweg, indem sie neue lukrative Geschäftsmodelle zulasten der Bürger kreieren.

Wann endlich schicken wir interessengesteuerte Berater „in die Wüste“, entsagen den angeblichen Vorteilen einer Zusammenarbeit mit verbrecherischen Regimen und trennen uns von einer ungebremsten Wachstumsideologie zulasten der Umwelt und letztlich auf Kosten von Frieden und Freiheit? Das wäre dann mal eine richtige Zeitenwende. Robert Habeck hat in Davos zumindest eine entsprechende Vision angedeutet. Danke dafür.

Mit herzlichen Grüßen
Claus P. Baumeister