Liebe Solarier,
nach meinen mehrfachen (u.a. „Forderungskatalog Energiewende & Klimaschutz“ vom 3.3.2022) sektorübergreifenden Betrachtungung zum Thema Energiewende, möchte ich mich heute mal auf ein (Sub-)Thema konzentrieren, nämlich die Entfesselung der Klein-PV auf EFH-Dächern und/oder Fassaden unter wirklich umfassendem Verzicht auf jegliche hemmende Bürokratie.
Juristen und Berater müssen jetzt mal ganz stark sein und sich neue „Opfer“ suchen. Die einfache These lautet nämlich: Jeder darf Klein-PV bis 10 kW Einspeiseleistung gewerbe-, anmelde- und genehmigungsfrei installieren, den Strom unabhängig von der Personenidentität im privaten Hausnetz bestmöglich nutzen (allenfalls Besteuerung von Energieabverkaufsgewinnen als Miet[neben]einnahmen) und Übermengen in das öffentliche Netz einspeisen. Dazu muss allenfalls ein Zähler mit Rücklaufsperre (oder Zweirichtungszähler, s.u.) sowie eine allgemeine CE-/VDE-Zulassung des Wechselrichters (mit Abschaltung bei Frequenzverschiebung im öffentlichen Netz) vorliegen, so wie es für andere Elektrogeräte auch gilt. Für die öffentliche Leitung macht es jenseits der Netz-Volatilität (s.u.) physikalisch keinen Unterschied, in welcher Richtung die 10 kW Leistung fließen.
Nicht die kWp-Leistung der PV-Module, sondern die maximale Einspeiseleistung wäre der limitierende Parameter, weil die DC-Seite der Anlage weder den Netzbetreiber noch den Gesetzgeber irgendetwas angeht und lokal durchaus größere Leistungen z.B. für PKW-Ladestationen verarbeitet werden können, ohne dass diese netzrelevant würden, wenn die Einspeiseleistung begrenzt ist und ggf. (möglichst selten) abgeregelt wird. Willkürliche einseitige Knebelbedingungen der Netzbetreiber durch TABs sollten vollständig gestrichen werden. Es gibt keine technisch-physikaliche Begründung für den zur Zeit völlig überzogenen Eingriff in das Privateigentum sowie die Ungleichbehandlung zu anderen Ressourcen wie Solarthermie (und der Verbrauchsseite).
Eine eigenverbrauchsoptimierte PV-Anlage sollte heute mit einem ROI von 8-12 Jahren grundsätzlich wirtschaftlich zu betreiben sein, ohne dass es dafür einer zusätzlichen Subventionierung bedürfte. Das gilt sogar noch für überdimensionierte Anlagen im Sinne von „Dächer vollpacken“, die gleichwohl im Winterhalbjahr meist nicht einmal den Eigenbedarf decken. Wenn man die Überdimensionierung bezogen auf den lokalen Verbrauch zur Erhöhung des allgemein verfügbaren EE-Stroms fördern möchte, könnte man die Übermengen angemessen, das heißt mit den durchschnittlichen PV-Gestehungskosten von etwa 5 €¢ vergüten, wenn die Anlage doch beim Netzbetreiber angemeldet und mit einem Zweirichtungszähler gemessen wird.
Ob das bei hoher Eigenverbrauchsquote noch sinnvoll ist, muss jeder Anlagenbetreiber selbst entscheiden. Wenn z.B. nur noch 1 MWh Einspeiseüberschuss anfallen, wobei 50 €/a von Messstellenbetriebskosten etwa gleicher Größenordnung neutralisiert werden, dürfte man sich kaum noch freiwillig den zusätzlichen Verwaltungs-Overhead antun.
Also keine Förderung mehr? Vielleicht doch, aber dann eine gezielte Investitionsförderung (wie bei E-Autos) von Speicher (möglichst mit intelligentem lokalem Lastmanagement), weil ein solcher nicht nur die Eigenverbrauchsoptimierung stützt, sondern die Anlage unter weitgehendem Entfall der bei EE so beklagten Fluktuation absolut netzdienlich gestaltet, also den übergeordneten Lastmanagementaufwand minimiert und den Ausbau der Netze weitgehend obsolet macht. Wie wäre es mit 300 €/kWh, bei 10 kWh/Anlage und einer Million (!) geförderter Speicher also „schlappe“ 3 Mrd. € für 10 GWh zusätzliche Flexibilität? Das ist weniger als für den unsinnigen temporären Tankrabatt „mit der Gießkanne“ ausgeschüttet wird und bedarf keiner aufreibenden Beihilfediskussion in Brüssel.
Last but not least: Die wenigen Regeln für PV-Kleinanlagen, aber auch die vielleicht endlich einmal verschlankten Regeln für andere/größere EE-Anlagen, bedürfen keines eigenen Gesetzes à la EEG. Anstatt zusätzlich ein neues Gesetz (Umlagegesetz) vom Stapel zu lassen, könnten alle entrümpelten Regeln in das EWG und die neue Energiemarktordnung integriert werden, und zwar als Kernvorgaben, denen sich alle Regeln der auslaufenden konventionellen Energieträger unterzuordnen haben.
Ach ja, was fehlt denn noch bei soviel investiver Gestaltungsfreiheit der Prosumer? Etwas weniger holprige Lieferketten vielleicht? Wie wäre es damit, endlich einmal mit eigener Produktion von Si-Wafern bis Solarmodule und LiION-Speicher innerhalb der EU in die Gänge zu kommen? Und dann gibt es noch den leidigen Fachkräftemangel. Aber was heißt schon „Fachkräfte“? Ein Auto-Werker an einem schon scheintoten Verbrennerfließband könnte in wenigen Tagen zum exzellenten PV-Installateur weitergebildet werden, anstatt mit Verbrennersubventionen nur Steuergelder zu verbrennen. Wann fängt man endlich an, nicht nur von Transformation zu sprechen, sondern sie aktiv zu betreiben?
Man muss sich im Übrigen zwingend davon verabschieden, PV-Leistung und Stromverbrauch als eindeutige Kenngrößen des aktuellen und prognostizierten Strommarktes zu sehen, weil diese durch zunehmenden Eigenverbrauch, Sektorenkopplung und Speicher, also trotz Wärmepumpen und E-Mobilität nach außen scheinbar reduziertem Verbrauch, immer unschärfer werden. Zielgröße muss in Zukunft allein der verbleibende fossile Energiebedarf sein, der schnellstmöglich gegen Null gehen sollte.
Abschließend noch eine Anmerkung zu den neuen Beschlüssen der Ampel zur Forcierung des Onshore-Windkraftausbaus:
Natürlich gibt es – zur Freude der Juristen – wieder ein neues Gesetz, das „Wind-an-Land-Gesetz“. Wie wäre es mit einem „Wind-auf-Mittelgebirge-Gesetz“ oder was man sich noch an kreativen Differenzierungen einfallen lassen kann? Und warum muss man 2% der Fläche zum Maßstab machen? Was bedeutet das in installierter Leistung, je nachdem wie diese jetzt und in naher Zukunft bestückt werden? Und wenn die Länder nicht mitspielen, gibt es „zur Strafe“ eine Aussetzung ihrer Abstandsregeln. Was soll das? Warum kann man diese nicht generell durch ein Bundesgesetz kippen und z.B. durch nachvollziehbare technisch-physikalische Regeln ersetzen (z.B. kein Schlagschatten in Wohngebieten und eine maximale Schallbelastung von n dbA)?
Und das Wichtigste zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Windräder ist reine Psychologie. Solange man diese als Verschandelung der Landschaft oder des eigenen Ausblicks sieht, wird der Widerstand nicht abnehmen. Wie wäre es mit einer Kampagne, sichtbare Windräder, auch wenn sie Bäume überragen, positiv als CO2-, Schadstoff- und Brennstoff-freie, sichere und freiheitliche Energiequelle zu sehen? Wenn die betroffenen Bürger dann noch am Ertrag partizipieren, dürften die Bremser zusehens ins Hintertreffen geraten.
Mit herzlichen Grüßen
Claus P. Baumeister