Verkehrswendende und E-Autofahrende – eine Realsatire zum rheinischen Karneval

Aus dem Kuratorenkanal von Claus P. Baumeister:

Auf der Suche nach Verkehrswendenden (Gender Correctness?) kann man sich hoffnungslos verlieren, obgleich Umfragen doch ein angeblich ständig steigendes Klimabewusstsein suggerieren und im Verkehr nur heiße Luft statt CO2 eingespart wird. Sollte man sie etwa im Bundesministerium für Verkehr (und Digitales) verorten? Dann würde es vermutlich „Verkehrswendeministerium“ heißen. Der Minister für freie Fahrt kann sich jedenfalls entspannt zurücklehnen, weil er mit dem 49€-Ticket doch schon genug gewendet hat und man seinen heiligen Sportwagen-Fanclub jetzt doch bitte in Ruhe (rasen) lassen sollten. Ein Tempolimit mit etwa 7Mt-CO2-Einsparpotenzial wäre doch nur Peanuts und das Rasen ohnehin nur auf 1% der Straßen erlaubt. Ein wenig Freiheit muss sein und neue Autobahnen sollten unbedingt schneller gebaut werden, damit es nicht bei den lächerlichen 1% Porsche-kompatiblen Autobahnen bleibt. Mögen doch Brücken und kleine Straßen marode bleiben, auf denen man sowieso nicht einmal 200 km/h erreichen kann.

Auch unter den mobilen Bürger:Innen findet man nur vereinzelt Verkehrswendende. Nun ja, die Bahn ist – dem Gleisrückbau und sonstigen Kaputtsparen des DB-Staatskonzerns sei Dank – leider nicht allerorten verfügbar, zu schlecht getaktet, eher selten pünktlich und oft in miserablem Zustand. Und wenn man gleichwohl noch schneller mit dem ICE von Frankfürt zum rheinischen Karneval nach Köln als mit dem ÖPNV-Bus zum nächsten Eifeldorf kommt, setzt sich das Elend in der Fläche fort.

Für Kurzstrecken gibt es auch wenig Alternativen. Laufen geht bei alten oder behinderten Menschen nur beschwerlich oder gar nicht und bei allen anderen allenfalls auf dem elektrisch betriebenen Laufband zuhause oder im Fitness-Studio. Radfahren ist ebenfalls zu schweißtreibend, wenn der E-Motor nicht genügend Schub entwickelt. Natürlich braucht man insbesondere als Funktions-Radler in deutschen Städten viel Mut, um den teilweise mit zeichnerischer Kreativität dem Verkehrsraum abgerungenen Radwegen und den aggresiven „Stadtpanzern“ auf der gleichen oder virtuellen Nachbarspur zu trotzen.

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Da bleibt oft nur noch der Individualverkehr mit des Deutschen liebsten Spielzeugs, nämlich des „heiligs Blechle“, wie Ureinwohner im Herz des Autolandes BW sagen würden. Mit der Transformation zur E-Mobilität die Welt retten. Aha. E-Mobile heißen so, weil sie eh klimaneutral sind, wie sich einfältige Zeitgenoss:Innen bis zum Bundesminister das vorstellen. Deshalb muss man sie auch nicht auf Autobahnen zügeln, weil ein paar kWh mehr oder weniger ja völlig egal sind – der regenerativen „Überversorgung“ sei dank. Und deshalb geht auch der schon mit Verbrennern reichlich geübte Wahnsinn weiter, diese Wunderwerke der Technik immer größer, schwerer und leistungsstärker zu machen. Mit weniger als 600 PS (besser 441 kW) kann man die Upper-Class-Nachbar:Innen schon nicht mehr beeindrucken, auch wenn man den 2,5 t schweren E-SUV plus Fahrer und Kind nur mit 20 der 600 PS zur KiTa bewegt.

Apropos Verbrenner:Innen (die weiblichen Autos eingeschlossen): Diese sind ab 2035 endgültig Geschichte bzw. nur noch in historischen Fahrzeugen zu finden. Man mag diesen aktuellen EU-Beschluss für überflüssig halten, weil kaum jemand so ignorant sein dürfte, in 12 Jahren nicht freiwillig auf in vielfältiger Weise überlegene E-Antriebe zu setzen. Aber gleichwohl ist es eine klare Ansage an die Automobilindustrie, endlich die Weiterentwicklung automobiler Steinzeit einzustellen.

Ganz beiläufig ist die EU dabei mal nicht den Lobbyisten aus Industrie, Verbrenner- und Sportwagen-Fans sowie der „Freie-Fahrt-für-freie-Bürger“-Partei aufgesessen, sondern hat den E-Fuel-Mythos entzaubert. Dieses Narrativ sollte den Verbrennern ein langes Überleben sichern. Man erzeugt einfach E-Fuels mit bescheidenen Wirkungsgraden (für Power2X-Technologien charakteristisch) aus den wahnsinnigen „Übermengen“ regenerativen Stroms, um sie dann erneut mit geringem Wirkungsgrad „klimaneutral“ in Verbrennungsmotoren „abzufackeln“. Nur Zaubern wäre besser. Dass dabei letztlich 10 mal mehr regenerativer Strom als zum direkten elektrischen Betrieb gebraucht wird – who cares? Zum Glück ist dieses Narrativ dank EU jetzt ausgemustert.

Ansonsten finden sich wenig reizvolle Alternativen, welche das automobile Zeitalter ablösen könnten. Das findige neue Geschäftsmodell mit kleinen bemannten Drohnen bzw. Lufttaxis scheint da eher ein „Vorwärts in die Vergangenheit“ statt „Zurück in die Zukunft“ zu werden. Überwiegend amüsant gestaltet sich die von den Anbietern schöngerechnete CO2-Bilanz und die Kostenfrage jenseits der Einkommensmillionäre.

Also versuchen wir es doch mit einem E-Auto, natürlich vernünftig und maximal effizient. Aber woher bekommt man sowas? Laut VDA bietet allein die deutsche Automobilindustrie angeblich mehr als 120 Modelle. Wenn man die Farben dazunimmt, sind es bestimmt mehr als 1.000 Modelle. Aber de facto findet man maximal 20 wirklich unterscheidbare Modelle über alle Hersteller hinweg und wo auch immer man hinschaut, nur dicke SUVs mit monströsem Kühlergrill. Dass es keinen Kühler mehr gibt (und kein Getriebe, keine Abgasanlage, sondern nur ein oder zwei kleine E-Motörchen in den Achsen), soll man offensichtlich nicht erkennen. Also als Verbrenner maskierte E-Modelle, was gut zur närrischen Zeit passt. Ist „E“ etwa uncool? Dann fehlen nur noch potenzsteigernde Abgasrohre. Den passenden Fake-Sound gibt es sowieso schon, und zwar mehr als es der Gesetzergeber aus Sicherheitsgründen vorschreibt. So wäre immerhin die Zukunft der Lärmschutz-Geschwindigkeitsbegrenzungen vielerorts gesichert.

Die graue Energie und die Herstellungs-Ressourcen spielen anscheinend keine Rolle. Nur so erklärt sich sowohl der Hang zur Größe einerseits, als auch die zunehmende Batterie-„Adipositas“ andererseits. Ein dicker SUV oder eine EQS-Luxuslimusine schlucken gerne die Batterie-Ressourcen, mit denen zwei Mittelklasseautos 400 km Reichweite erzielen. Aber egal. Wir haben schließlich Energie- und Rohstoff-„Partnerschaften“ mit Ländern wie Bolivien oder Chile, die genügend Lithium (plus Seltene Erden) für unsere gehobene E-Mobilität liefern können, auch wenn den Indigenen dort das Wasser ausgeht.

Zum Glück gibt es noch einige Modelle in E-Reinkultur, z.B. den VW ID.3 (dass ID.4 oder 5 schon wieder unvernünftig ausgelegt sind, übersehen wir mal). In aller Freude, dass dieses Auto geräumig bei geringen Außenmaßen ist, komfortabel, leise, spurtstark etc. und keine fossile Tanke mehr sehen möchte, geht jetzt das Suchspiel nach dem Treibstoff los, ohne den auch beim E-Auto leider nichts geht.

Vom Irrsinn des Stromtankens

Wohl dem/der, der/die einen eigenen Stromanschluss zuhause (es muss keine Wallbox sein, die langsame 2kW-Ladung über die Steckdose ist netz- und batterieschonend) und/oder eine Ladeeinrichtung an der Arbeitsstelle hat. Wenn diese auch noch unter lokalem Lastmanagement direkt aus einer PV-Anlage oder deren Batterie von der Sonne geliefert und nicht von behördlichen Regeln, Netzbetreiber-TABs, Vermieter oder Eigentümer(versammlungen) verhindert wird, verflüchtigt sich das schlechte Gewissen, überhaupt motorisierten Individualverkehr zu betreiben.

Leider muss man auch mal auswärts „tanken“, meist auf längeren Autobahnstrecken, sogar bei Vmax. 120 km/h. Dass es (noch) viel weniger Strom- als fossile Tankstellen gibt, dürfte keine Überraschung sein. Aber als naive(r) E-Tankende(r) fragt man sich, warum bei den Ladensäulen immer noch die Anarchie der Anbieter herrscht. Während die fossile Tankstelle vom Gesetzgeber gezwungen wird, ihre gleichwohl volatilen Preise von der Straße aus gut sichtbar anzuzeigen, erfährt man die nach Belieben zusammengewuselten Ladekosten (ggf. Grund- oder Starterpreis, kWh-Preis für AC und DC, Standpreis etc.) nicht einmal direkt an der Ladesäule.

Und die Selbstverständlichkeit, an Tankstellen mit allen auch in Geschäften gängigen Zahlungsmitteln (Bar, NFC-Debit- oder Kreditkarte, App etc.) zahlen zu können, scheint bei Ladesäulenbetreibern völlig undenkbar zu sein. Bar geht sowie nicht und Standard-Debit-/Kredit-Kartenzahlung ist erst ab Juli 2023 vorgeschrieben. Das hätte man sich in mehr als 10 Jahren Ladesäulenzubau auch nicht früher einfallen lassen können – oder? Wie lange wird es wohl dauern, bis alle Ladesäulen mit entsprechenden (NFC-)Kartenlesern ausgestattet sind oder durch neue ersetzt wurden?

So bleibt nur, mindestens eines Vertrags/Accounts bei einem Betreiber/Energieversorger anzulegen, in der Hoffnung, dass dieser möglichst viele Ladesäulen abdeckt, starke Roaming-Partner nutzt und zumindest gegen teure Aufschläge mit irgendeinem Ladesäulen- bzw. Netzbetreiber abrechnet. Die Gebühren sind überwiegend intransparent und gehen bis zu Abzocke-Preisen von fast 1 €/kWh. Das ist keine Ladeinfrastruktur, sondern Wildwest-Gelände. Und die elitären Tesla-Ladesäulen kanibalisieren auf ihre Weise das Ladenetz, auch wenn Elon Musk inzwischen eine Öffnung für unterpriviligierte E-Autos der Konkurrenz angekündigt hat, vielleicht noch vor der ersten Space-X-Marsmission.

Natürlich würde man sich zumindest wünschen, eine digitale Übersicht aller Ladesäulen mit ihren Standorten, Maximalleistungen, Preisen und Zahlungsarten zu erhalten. Eine solche ist im „allwissenden“ Internet leider nicht verfügbar. Private Portale mit ihren Apps sind größtenteils rudimentär, regional, unzuverlässig, nicht aktuell oder sonstwie unbrauchbar. Sogar den Anbietern selbst muss man die Informationen „aus den Rippen leiern“. Bei manchen Betreibern bekommt man überhaupt keine Fakten zu ihren Karten- oder App-Angeboten für Ladesäulen. So z.B. „glänzen“ die Stadwerke Bonn (SWB) mit einem „schwarzen Loch “ auf ihrer Website. Sogar direkte Anfragen führen nicht etwa zu einer Tarif-Preisliste, sondern zu willkürlich in die E-Mail-Antwort eingetippten Preishäppchen. Das offizielle „Ladesäulenregister“ der BNetzA ist ebenfalls unvollständig, nicht aktuell.und ohne Angaben zu Preisen und Zahlungsarten.

Es wäre einfach toll, wenn der Gesetzgeber diesen Wildwuchs aus der E-Pionierzeit mal durch wohlbedachte Regelungen aus der Realsatire in massentaugiche Realität überführen würde. Alaaf!