Stellungnahme zum BMWi-Entwurf für ein Mieterstromgesetz

März 2017 EUROSOLAR nimmt im Folgenden Stellung zum Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI) für ein Mieterstromgesetz. Entgegen der im EEG2017 angelegten Verordnungsermächtigung für eine MieterstromVO hat sich das BMWi dazu entschlossen, mit einem Artikelgesetz die bisherige Benachteiligung von Mieterstrommodellen beheben zu wollen. Dies wird vom BMWi insbesondere damit begründet, dass eine direkte Förderung des Mieterstroms im Gegensatz zu der vorher beabsichtigten Senkung der EEG-Umlage auf den direkt verbrauchten Strom durch Mieter Änderungen im EEG unumgänglich mache, eine direkte Förderung zielgenauer sei und mit einer geringeren Gefahr einer Überförderung größerer Anlagen einher ginge.Das Papier als PDF zum DOWNLOAD.

Allgemeine Einordnung

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass das BMWi in seinem Eckpunktepapier anerkennt, dass der jährliche Zubau der Photovoltaik in Deutschland nun im dritten Jahr in Folge selbst hinter dem viel zu niedrig angesetzten Ausbaupfad der Bundesregierung deutlich zurückbleibt. EUROSOLAR sieht in dieser Tatsache, die bekanntermaßen für den Abbau von über 50.000 Jobs in der EE-Branche gesorgt hat, das Ergebnis der verfehlten EEG-Reformen der Jahre 2012, 2014 und 2017 und hat bereits vielfach in Stellungnahmen und Kampagnen auf die erdrosselnde Wirkung „atmender Deckel“ und die desaströsen Folgen einer organisierten Politik der Verunsicherung mehr als deutlich hingewiesen.

Wir begrüßen es, dass nun endlich auch das BMWi anerkennt, dass Mieterstrommodelle ein gewaltiges Potential für eine erfolgreiche und sozial ausgeglichene Energiewende darstellen, das bislang aufgrund hemmender gesetzlicher Rahmenbedingungen nur in sehr geringem Umfang genutzt werden konnte. Das Potential bezieht sich nicht nur auf den Aufbau weiterer dezentraler Erzeugungskapazitäten auf einer Vielzahl sonst ungenutzter Dachflächen mit Photovoltaikanlagen. Wir sehen darin insbesondere einen Anreiz für kommunale Stadtwerke, Energiegenossenschaften, die Akteure der institutionellen Wohnungswirtschaft sowie private Vermieter und natürlich ganz besonders für die Mieterinnen und Mieter, endlich aktiv eine verbrauchsnahe und umweltschonende Direktversorgung realisieren zu können. Damit würde nicht nur die Akzeptanz der Energiewende gesteigert, sondern auch die bisherige soziale Schieflage zugunsten von EigenheimbesitzerInnen zumindest gemildert.

EUROSOLAR teilt durchaus Ziele und Leitgedanken der geplanten Mieterstromförderung, insbesondere, dass sich Mieterstrom aus PV lohnen und Vertragsfreiheit gewahrt werden soll und die Kosten begrenzt werden sollen. Begrüßt werden auch die angekündigten Änderungen im Gewerbesteuerrecht für Vermieter und im Körperschaftsteuergesetz für Wohnungsbaugesellschaften, um derzeitige steuerliche Hemmnisse beim Mieterstrom abzubauen. Bis wann hier der Entwurf eines Artikelgesetzes durch das BMF zu erwarten ist und ob der – vom BMWi nicht konkret benannte – Zeitpunkt für das Inkrafttreten noch in dieser Legislaturperiode zu halten ist, ist durchaus fraglich. Auch die bereits angekündigte beihilferechtliche Prüfung durch die EU-Kommission verzögert die Umsetzung absehbar. An dieser Stelle werden geplante oder im Bau befindliche Projekte erschwert, insbesondere da ein nachträglicher Wechsel von bereits errichteten Anlagen ins Mieterstrommodell nicht vorgesehen ist.

Verordnung oder Artikelgesetz

EUROSOLAR steht grundsätzlich auf dem Standpunkt, dass weitreichende Änderungen der Rahmenbedingungen in Form von Artikelgesetzen angegangen werden sollten und hat daher bereits bei früheren Stellungnahmen den allgemeinen Trend zu Verordnungsermächtigungen scharf kritisiert, da die parlamentarische Mitwirkung und Kontrolle über eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen nicht gegeben ist.

Nach gründlicher Durchsicht des Vorhabens wird jedoch auch deutlich, dass der vorliegende Entwurf mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Schwierigkeiten und Unsicherheiten erzeugt, als er bestehende Probleme lösen kann. Dies nicht zuletzt, weil er sich stringent in die widersinnige Deckelungspolitik des BMWi einreiht.  

Mit dem Mieterstromgesetz soll der schleppende PV-Ausbau wieder angeregt werden, jedoch nach wie vor unter dem Regime komplexer und bürokratisierter Rahmenbedingungen. An diesem grundsätzlichen Problem wird der vorliegende Entwurf für ein Mieterstromgesetz leider nichts ändern, vielmehr wird er die Bürokratisierung und Regelungsdichte nur noch weiter verschärfen. Anstatt Hemmnisse für eine autonome dezentrale Versorgung mit Erneuerbaren Energien endlich abzubauen, werden erneut Förder- und Ausnahmetatbestände geschaffen, die, nicht nur aber ganz besonders, für kleinere Akteure kaum motivierend wirken dürften.

Doppelte Deckelung

Vorhaben, den Ausbau von Mieterstrommodellen sowohl dem 2,5 GWp-Deckel für den jährlichen Gesamtausbau der Photovoltaik zu unterwerfen, als auch gleichzeitig die Förderung des Mieterstroms auf jährlich 500 MWp zu begrenzen, sind daher schon im Grundsatz nicht energiewendefreundlich. Die Deckelung führt zu Unsicherheiten im Markt, je näher die Erreichung der jeweiligen Obergrenzen rückt. Der Ausbau von Mieterstrom sollte daher nicht unter dem Regime des sogenannten atmenden Deckels des EEG erfolgen, weil sonst die Förderhöhe des PV-Mieterstroms mit dem Ausbau der PV-Direkteinspeisung sinkt und sich beide sogar kannibalisieren, sobald der PV-Ausbaudeckel von 2.500 MW/a in Sicht kommt.

Aktuell zeichnet sich durch einen erneuten und diesmal global stattfindenden PV-Boom ab, dass für 2017 von vielen Marktbeobachtern ein deutliches Wachstum des Solarzubaus in Deutschland oberhalb von 1,5 GW erwartet wird. Der BSW hält in diesem Jahr sogar eine Übererfüllung des atmenden Deckels für möglich und prognostiziert einen Zubau von 2,5-3 GW. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass es dem BMWi nicht um die notwendige Beschleunigung des Ausbaus geht, sondern vielmehr um eine Umverteilung, da Mieterstrommodelle unter den geplanten Bedingungen gegenüber normalen Einspeise-Anlagen um etwa 50 % geringere Kosten verursachen würden.

Unnötige Verengung des Geltungsbereichs

Die Förderung von Mieterstrom ist auf einzelne Häuser mit neuen Anlagen bis 100 kWp begrenzt. Damit sind Quartierslösungen für Mietskasernen, Wohnungsbaugenossenschaften und Projekte in Gewerbegebieten ausgeschlossen und nicht einmal Nachbarschaftslösungen ohne Nutzung des öffentlichen Netzes in Gebäudeensembles sind gewollt. Das wird die Realisierung von Mieterstromprojekten zwangsläufig klein halten. Zumindest der räumliche Zusammenhang, wie er in verschiedenen Energiegesetzen üblich ist, sollte den Verbrauchern eingeräumt werden.

Mieterstrom soll auf Solaranlagen begrenzt werden. Das bedeutet, dass sich der Zubau von Mieterstromanlagen auf PV beschränken wird. PV ist zwar seit 2016 die weltweit günstigste Form der Energieerzeugung, doch es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, alternative Techniken wie Solarthermie, Geothermie oder Wasserkraft aus einem neu geschaffenen Markt herauszuhalten. Das geplante Artikelgesetz sollte technologieneutral sein.

Neue Hürden für kleinere Akteure und zweifelhafte Annahmen

Die Anforderungen an das „Smart Metering“ sind deutlich zu umfangreich. Sollten an kleine Mieterstromproduzenten die gleichen Anforderungen an Messtechnik, Abrechnungen, Informationspflichten und Stromkennzeichnung gestellt werden wie sie auch für große EVUs gelten, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt und statt in PV müsste in Zähler investiert werden. Damit werden insbesondere kleinere Mieterstromprojekte, beispielsweise in Reihen- oder kleinen Mehrfamilienhäusern, nicht darstellbar sein. Es ist unverständlich, warum an dieser Stelle keine Bagatellgrenze gesetzt wird und unterhalb dieser Grenze vereinfachte Modalitäten ermöglicht werden.

Wir bezweifeln die Annahme des BMWi, dass die nicht am Mieterstrom teilhabenden Stromverbraucher Mehrkosten zu tragen haben. Strom, der selbst erzeugt und im Quartier verbraucht wird, entlastet doch gerade die Netze und macht sogar manches Netzausbauprojekt obsolet. Geradezu skurril wirkt die BMWi-Begründung, EEG-Umlagebefreiungen bestünden nur für stromintensive Unternehmen. Es ist nicht verursachergerecht i.S.d. § 2 IV EEG2017, diejenigen, die die Netze am meisten benutzen, von der Umlage freizustellen zu Lasten derjenigen, die weniger Strom durchs Netz leiten als sie produzieren und die Netze dadurch entlasten.

Bei dem vom BMWi „angelegten Wert“ abzüglich der 8,5 ct/kWh landet man drei oder vier Cent Förderung pro Mieterstrom-kWh – degressiv. Der gesamte produzierte und von den Mietern direkt verbrauchte Strom ist aber voll umlagepflichtig. Also zahlen PV-Mieterstromproduzenten, die ihre Mieter beliefern – neben ihren Erzeugungs- und Abrechnungskosten – die EEG-Umlage von knapp sieben Cent und erhalten drei bis vier Cent Förderung zurück. Sie zahlen also brutto drauf. Mindestens drei Cent je kWh. Diese Regelung erhöht also das Finanzpolster des Umlagesystems und verursacht den nicht am Mieterstrom beteiligten Stromkunden keineswegs Mehrkosten, wie vom BMWi behauptet. Reine PV-Einspeiseanlagen bekommen im Vergleich die höhere EEG-Vergütung und belasten die Netze mehr als der gar nicht erst eingespeiste Mieterstrom. Das ist eine Diskriminierung von Mieter- gegenüber Einspeise-Strom. Das BMWi geht folgerichtig davon aus, dass durch den Ausbau von Mieter-PV-Anlagen fast 50 Prozent Kosten gespart werden können gegenüber demselben Zubau über die herkömmliche Einspeisevergütung. So entsteht jedoch der Eindruck, dass weniger der erfolgreiche Aufbau von Mieterstrommodellen politisch gewünscht ist sondern eine weitere Eindämmung des ohnehin bereits gedeckelten und merkantil eingebrochenen PV-Ausbaus.

Die unnötig komplizierte Vergütungssystematik sieht einen pauschalen und statisch angelegten Abzug von 8,5 ct/kWh vom anzulegenden Wert für direkt an die Mieter gelieferten Strom vor. Da sich alle anderen Kalkulationsbestandteile (EEG-Umlage, Strompreise, Vergütungssätze etc.) dynamisch entwickeln, wird eine solch statische Regelung absehbar ihre Förderwirkung gänzlich einbüßen und führt damit die grundlegende Argumentation des BMWi, eine zielgenauere Förderung anzustreben, ad absurdum.

Fazit

Das geplante Gesetz ist zu bürokratisch, schafft durch den sogenannten atmenden Deckel Unsicherheit statt Planbarkeit sowohl beim Mieterstrom als auch beim sonstigen PV-Ausbau. Kleine und mittlere Unternehmen und erst recht die Bürger, die gemeinsam die Treiber der Energiewende sind, werden durch das Gesetz verunsichert. Einen bundesweit zusätzlichen Ausbau von PV-Kapazitäten soll das Gesetz gerade verhindern. Die nach wie vor erheblichen bürokratischen Hürden führen dazu, dass, wenn überhaupt, nur die größeren Immobiliengesellschaften Mieterstrom anbieten werden. Das Gesetz geht damit an dem größten Teil des privaten Immobilienmarktes und damit deren Mieter vorbei. Damit schadet das Artikelgesetz zum Mieterstrom den Mietern und der Energiewende mehr als dass es ihnen nutzt.

Zielführend und systemisch sinnvoll wäre eine Regelung, die die EEG-Umlagepflicht für Mieterstrom und EE-Eigenversorger gänzlich abschafft und den im Haus oder Quartier erzeugten und verbrauchten Strom nicht nach EEG vergütet. Die meisten der komplizierten neuen Regelungen und der Verwaltungsaufwand wären überflüssig. Eine solche Lösung wäre unbürokratisch und für die Betroffenen leicht verständlich. Mehr Förderung ist auch gar nicht nötig.

Der Mieterstrom funktioniert ohne Gesetz (und damit ohne 500-MW-Deckel und 2,5 Solar-Abriegelung!!!) besser als mit. Die Wahrheit ist doch, dass Mieterstrom-Projekte bereits vielfach ins Laufen geraten. Sinnvoll wäre es da, eine unbürokratischere Regelung zu wählen, die wenigstens den Anteil der EEG-Umlage für diese Projekte (wie beim Eigenverbrauch) von derzeit 100 % auf 40 % zu senken. Dadurch könnten die Mieter von Kostendämpfungen durch Solarstrom noch mehr profitieren und es würde schnell Planungssicherheit geschaffen werden.