Kurz-Analyse Osterpaket

Für ultimative Beschleunigung kommt es jetzt auf das Parlament an

Von Fabio Longo, erschienen im SOLARZEITALTER 1-2022

Während der Regierungsberatungen zum Osterpaket hat der Vorstand von EUROSOLAR Deutschland mit dem Sofortprogramm „Ultimative Beschleunigung für heimische erneuerbare Friedens- und Freiheitsenergien“ die Anforderungen der Zeitenwende nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs aufgeschrieben. Der alte Regierungsentwurf für das Osterpaket war durch die Energiekrise längst überholt. Wenn wir das vom Bundeskabinett beschlossene Osterpaket mit unserem Sofortprogramm abgleichen, stellen wir fest:

Nach über einem Jahrzehnt auf der Energiewende-Bremse bedeutet das Osterpaket eine Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer – das betrifft mit Einschränkungen insbesondere die Wind- und Solarenergie. Gemessen am Bedarf für Energiesicherheit und Klimaschutz wird das Osterpaket den Herausforderungen der Zeitenwende allerdings nicht gerecht. Es kommt also nun entscheidend auf Bundestag und Bundesrat an – wie von Anfang an bei der EEG-Gesetzgebung.

In der Kurz-Analyse zum Osterpaket vor dem Hintergrund unseres Sofortprogramms wird deutlich, dass es in erster Linie am wichtigen Ausbau der Solarenergie auf Gebäuden sowie bei der Wasserkraft, Biogas, Energiespeichern und der Wärmewende hakt (zur Nummerierung vergleiche das Sofortprogramm, Seite 17).

Nr. 1) Beihilfenkontrolle der EU-Kommission

Wieder einmal fehlt der Bundesregierung der Mut, das EEG beihilfefrei auszugestalten. Dadurch brauchen nötige Sofortmaßnahmen zu lange, um noch vor dem nächsten Winter wirksam für Energiesicherheit greifen zu können. Es kommt jetzt auf den persönlichen Einsatz von Bundesminister Habeck und Bundeskanzler Scholz in Brüssel an, dass die Beihilfenkontrolle nicht zum Desaster wird und die weitere Beschleunigung aufhält, die der parlamentarische Gesetzgeber noch als Aufgabe hat.

Nr. 2) Abbau aller Hürden und Hemmnisse für den Ausbau Erneuerbarer und Nr. 4) Windenergie

Einige Bremsklötze im EEG werden beseitigt. Was fehlt ist der Abbau von Hemmnissen im Planungsrecht, insbesondere die Beschleunigung von Repowering und die Abschaffung der 10H-Abstandsregel, die den Windenergie-Ausbau in Süddeutschland blockiert. Das geplante Sommerpaket kommt hierfür zu spät. Ob der beabsichtigte Windenergie-Booster durch den Abbau der Drehfunkfeuer-Blockade im Umfeld von Flughäfen zündet, ist offen.

Nr. 3) Photovoltaik – der ultimative Beschleuniger

Der Hauptknackpunkt des Osterpakets liegt bei Prosumer-PV, also bei den üblichen PV-Anlagen auf Gebäuden, in denen Eigen- und Direktversorgung von Mietern und Nachbarn mit der Einspeisung von Überschüssen ins Netz kombiniert wird. Prosumer-PV muss so gestaltet werden, dass die Solarinstallation auf dem ganzen Dach wirtschaftlich („Dächervollpacken“)ist und nicht nur zur Optimierung des aktuellen Eigenbedarfs. Hierfür ist die Vergütung zu niedrig. Es bedarf einer einmaligen kräftigen Anhebung und der Einführung eines atmenden Boosters anstelle des atmenden Deckels. Prosumer-PV mit ihrem vollen Potenzial für Sektorenkopplung (Solarstrom für Wärmepumpen und Elektromobilität) muss attraktiver sein als die Volleinspeisung. Letztere ist nur für Konstellationen wichtig, in denen die PV-Pflicht greift und wenig Potenzial für Eigenversorgung besteht, z. B. bei großen Dächern von Lagerhallen, die als Kraftwerksstandorte für Solarenergie gebraucht werden. Zu kritisieren ist der zu langsame Anstieg der Zubauziele für die Solarenergie. Die Bundesregierung vertagt den Ausbau-Peak auf die Zeit nach 2025, also nach der nächsten Wahl, anstatt in einem Dreisprung schon in 2024 auf 20 GW/Jahr zu kommen (2022: 10 GW; 2023: 15 GW; 2024: 20 GW).

Nr. 5 und 6) Biogas und Wasserkraft – Lastpferde für Energiesicherheit

Ein Desaster ist das Osterpaket insbesondere für die Wasserkraft – und das trotz ihrer gewachsenen Bedeutung für Energiesicherheit in der Zeitenwende. Die Bundesregierung kann nicht allen Ernstes die planbaren Erneuerbaren Wasserkraft und Biogas zurückbauen. Kompensiert werden könnte dieser Ausfall nur durch Erdgas- oder Kohlekraftwerke, was vor dem Hintergrund der Energiesicherheit und des Klimaschutzes keine Option ist. Biogas, Wasserkraft und Geothermie müssen ausgebaut werden anstatt sie zurückzubauen.

Nr. 7) Speicheroffensive

Zeitenwende für Energiesicherheit beginnt hier und zwar sofort. Bedauerlicherweise werden die meisten Vorhaben ins Ungewisse vertagt – in eine Plattform klimaneutrales Stromsystem. Modellprojekte für Erneuerbare mit Wasserstoff sowie die Abschaffung aller Umlagen für Wärmepumpen sind nur erste kleine Schritte zur Sektorenkopplung. Alle Synergien für strategische Speicher sind zu heben, sofort in einer konzertierten Aktion zwischen der Bundesregierung und der Energie-/Automobilwirtschaft zur Befähigung der wachsenden E-Auto-Flotte als Schwarmspeicher (Vehicle-to-Grid).

Nr. 8) Wärmewende

Auch die Wärmewende ist angesichts der Energiekrise mit Erdgas-Abhängigkeit besonders dringlich, wird aber weitgehend vertagt. Dass noch nicht einmal alle Fördermittel von Gasheizungen abgeschafft werden (wir fordern ein Verbot), ist nicht nachvollziehbar. Anstelle einer Gaseinkaufstour in autoritäre Staaten, die im Verdacht stehen, Islamismus zu fördern, sollte die Bundesregierung ihre Hausaufgaben erledigen (EUROSOLAR-Memorandum, S. 16).

Fazit

Damit die Zeit der Energiewende-Bremse vorüber geht, kommt es für die nötige Beschleunigung in der Zeitenwende jetzt auf das Parlament an.

Dr. Fabio Longo ist Vizepräsident von EUROSOLAR e.V. und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen EUROSOLAR-Sektion

SOLARZEITALTER 1-2022

Diesen und viele weitere Artikel lesen Sie in der Ausgabe 1-2022 im SOLARZEITALTER, der EUROSOLAR-Zeitschrift.

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