EUROSOLAR Newsletter Juli/ August

Newsletters sind eine seltsame Sache: weder News noch Letter sind sie Zwitter (nicht Twitter): halb Echo, halb Vorschau.

Manchmal enthalten sie vermeintliche Wahrheiten, manchmal unreflektierte Weisheiten. So auch unsere eigenen – der letzte, zum Beispiel, gab den von der Ampel-Regierung verbreiteten unsachlichen Kommentar zum fraglichen Weiterbetrieb der AKWs wieder. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass das auch EUROSOLARs Position, oder sonst sinnvoll ist. Oder auch, dass alles im KuKa so astrein ist, oder Vorstandsbeschlüssen entspricht: der KuKa soll zum Selberdenken und -agieren anregen.

Zurück zum NuLe. Der stereotyp wiederholte Satz „wir haben kein Strom-, sondern ein Wärme-/Gasproblem“ ist offensichtlich unlogisch. Wenn 6% der Stromerzeugung durch AKWs wegfallen und das knappe Gas nicht noch zu 15% zur Stromerzeugung verballert werden soll, haben ‚wir‘ eine Stromlücke von 21%. Zudem werden die Menschen zunehmend Strom statt Gas zur Wärmeerzeugung einsetzen – Konvektoren, Heizlüfter und Heizstrahler gehen in den Baumärkten gerade „wie geschnittenes Brot“. Aber die direkte (ohne Wärmepumpe) Verheizung des hochwertigen Energieträgers Strom ist völlig kontraproduktiv und wird den Stromverbrauch erheblich steigern.

Zur Klarstellung: Ich bin bekanntermaßen kompromissloser Anhänger von Energieeffizienz und Erneuerbaren Energiequellen, setzte mich nicht nur seit Jahrzehnten dafür ein, sondern auch selbst um. Wenn das schon zur Jahrtausendwende Schule gemacht hätte, wäre die Energiewende längst „gewuppt“, das ohnehin „versaubeutelte“ Klima ein wenig besser geschützt und der Alptraum vom Strom- und/oder Wärmeproblem sowie die politische Erpressbarkeit durch Autokraten nicht Realität geworden.

Wann kommen wir endlich ernsthaft mit Energieeffizienz und Erneuerbaren in die Gänge, und zwar nicht so halbherzig und immer noch überreguliert, wie es die Ampel als großen Wurf feiert (s. Kuratorenartikel „PV simpel…“ etc.)? Sondern konsquent als existenzielle Mindestforderung der Regenerativen Dekade EUROSOLARs.

Und Speicher, Speicher, Speicher (mit Lastmanagement auf jeder Netzebene), damit endlich das Gejammer über die flukturierenden Erneuerbaren aufhört.

Ich bin absolut gegen Atomkraft, weil ich sie für eine letztlich unbeherrschbare Technologie im Betrieb und – insbesondere bei ungeklärter Endlagerfrage – eine Zumutung für unzählige Generationen in den nächsten hunderttausend Jahren halte. Aber in der augenblicklichen Situation, in der wir dem Autokraten und Aggressor Putin – und anderen Kriegstreibern – ausgeliefert sind, AKWs und Kohlekraftwerke abzuschalten, ist politischer Selbstmord – oder der fortgesetzte Wahnsinn, nachdem uns die alte Regierung bereits in unverantwortlicher Weise in diese Situation manöveriert hat.

Und daran waren nicht nur die ehemalige Kanzlerin und die CDU, sondern maßgeblich auch hochrangige Politiker der SPD incl. des heutigen Kanzlers beteiligt, wobei sie die Abhängigkeit von russischem Gas unverständlicherweise sogar noch nach der Krim-Annektion vorangetrieben haben. Den Gipfel dieses Irrsinns repräsentiert nach wie vor unser Altkanzler und Putin-Freund Gehard Schröder, der sich gestern im Stern-Interview (warum gibt man diesem Mann noch ein Forum?) noch erdreistet hat, Nord Stream 2 zu promoten. Ob man dieses Verhalten nicht sogar als Hochverrat werten könnte?

Der Wahnsinn geht in die nächste Runde, wenn dutzende Gaskraftwerke gebaut werden sollen, um die Stromlücke jenseits der Erneuerbaren zu schließen, und das bei langfristigem Verzicht auf russisches Erdgas via Pipeline. Man sollte mal nachrechnen, um – surprise, surprise – festzustellen, dass arabisches LNG oder gar amerikanisches Fracking-Gas unter dem Strich (Energieverbrauch bei Gewinnung, Kompression und Transport) etwa genauso viel CO2 emittieren wie heimische Kohle, die direkt an der Lagerstätte in effizienten Kraftwerken verstromt wird.

In der Bilanz gesellt sich dazu die in den bestehenden Kraftwerken gebundene „graue“ Energie, die mit dem Rückbau vollständig vernichtet, ja sogar erhöht wird, und die „graue“ Energie für die neuen Kraftwerke, die nicht für die üblichen 40-50 Jahre Laufzeit im Grundlastbetrieb, sondern als temporär aktivierbare Übergangslösung für die Defizite der Erneuerbaren in nächsten 10-20 Jahren errichtet werden, die ohnehin erst nach mehreren Jahren Planungs- und Bauzeit zur Verfügung stünden. Mehr Irrsinn geht eigentlich nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Claus P. Baumeister