Klimaschutz ganz pragmatisch – zur „versemmelten“ Verkehrspolitik und PV-Behinderung

Aus dem Kuratorenkanal von Claus P. Baumeister.

jeden Tag erleben wir alte, neue oder gar keine Entscheidungen der Bundesregierung, die wissentlich jedes Klimaschutzziel ad absurdum führen. Unser 1,5°-Pfad wird nun einmal nicht dadurch erreicht, dass man immer wieder darüber redet, sondern endlich adäquat handelt. Deshalb noch ein Aufschlag meinerseits vor dem Wochenende.

Es reicht jetzt wirklich, dass insbesondere eine 5%-Partei den kleinsten gemeinsamen Nenner der so ambitioniert gestarteten Ampel definiert. Da wird der Mobilitätsgipfel wieder zu einem Autogipfel und natürlich immer noch kein generelles Tempolimit eingeführt, dessen einziger Nachteil wäre, schnelle Autos auch in Deutschland nicht mehr mit 250 oder 415 km/h (wie ein 1.000-PS-Bughatti-fahrender Milliardär unlängst demonstriete) ausfahren zu können.

Am gleichen Tag, an dem eine neue Studie gezeigt hat, dass der CO2-Einspareffekt einer 120-km-Begrenzung mehr als doppelt so hoch wäre wie bisher angenommen, macht der Verkehrsminister Wissing ein Minus von etwa 7 Megatonnen/a noch zur Lapalie im Hinblick auf den Klimaschutz. Außerdem hat er den extrem schnellen Planungs-, Genehmigungs- und Ausführungsverlauf des ersten LNG-Terminals (unter Missachtung von Umweltkriterien) als Blaupause für den Autobahnneubau verstanden: Hat der Koalitionsvertrag mal mehr Schienen als Straßen gefordert? Egal. Die Logik des Ministers: Wenn 10 mal mehr Güter auf der Straße als auf der Schiene transportiert werden, muss man erstere weiter ausbauen, damit sich dieser Wahnsinn fortsetzt. Dabei wären Investitionen in den Erhalt der vorhandenen Straßeninfrastruktur und insbesondere Brücken bereits Aufgabe genug.

Dass der Verkehrssektor seine Ziele bislang kläglich verfehlt hat, ist offensichtlich auch kein Anlass, hier endlich einmal die Maßnahmen (nicht die fiktiven Ziele) nachzuschärfen. Dazu gehört auch die Abschaffung aller kontraproduktiven Subventionen für Diesel, Dienstwagen und fette E-SUVs etc. und nicht nur ein Stopp der komplett sinnwidrigen Hybrid-Förderung zum Jahresanfang. Der Fortsetzung des höchst fragwürdigen Trends zu immer größeren und leistungsstärkeren Autos bei E-Fahrzeugen muss unbedingt entgegengewirkt werden. Und wenn man die Transformation zur effizienten E-Mobilität (Verbrenner mit E-Fuels sind wie H2 keine Alternative, weil es sich nicht um Primärenergien handelt, sondern diese mit niedrigem Wirkungsgrad erzeugt werden müssen) wirklich anschieben will, muss ihr einziger (!) Nachteil (Energiedichte und Energiebeschaffung) schnellstmöglich beseitigt werden.

Natürlich geht es immer wieder um Reichweiten. Dabei sind diese nur bei Langstreckenfahrten wirklich relevant und nicht nur durch größere Batterien (in Zukunft auch neue Batterietechnologien) zu realisieren. Schnelllade-Tankstopps gehen immer und können meist mit den sowieso erforderlichen Zwangspausen einhergehen. Es mangelt jedoch an der Ladeinfrastruktur, und zwar nicht nur an der Anzahl verfügbarer Ladesäulen, sondern auch an deren einheitlicher Handhabung. Ein kleiner Schritt in diese Richtung ist die ab Juli 2023 geltende Verpflichtung, Ladestationen mit Debit-/Kreditkartenlesern auszustatten. Das war längst überfällig. An Tankstellen jedweder Marke kann man mit diesen gängigen Zahlungsmitteln, ja sogar bar bezahlen. Und dann bekommen alle auch den gleichen Preis (abgesehen von wenigen Cent Rabatt über zusätzliche Kundenkarten). Dass der Preis gut sichtbar bereits von der Straße erkennbar sein muss, sollte nicht nur für fossile, sondern auch für Stromtankstellen gelten. Nur wiel es eine neue Variante der Energieversorgung von Autos ist, darf es nicht unreguliert bleiben – so wie Gesetze der analogen Welt auch im digitalen Raum gelten sollten.

Eine weitere „Baustelle“ für den in der Breite praktizierbaren Klimaschutz ist die Verbreitung von privaten PV-Anlagen – ob auf dem Dach oder im Garten, was meist ein Problem darstellt und unterschiedlich bewertet wird. Dabei ist nicht einmal die Förderung zu diskutieren. Der Preisauftrieb bei den Komponenten verlangsamt sich und wird zusätzlich durch die MwSt.-Befreiung abgefedert. Was immer noch fehlt, ist die radikale Abschaffung formaler Hürden und Bürokratie. Das EEG in seiner über zwei Jahrzehnte verschlimmbesserten und aufgeblähten Fassung ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäß bzw. (nach BK Scholz) „aus der Zeit gefallen“. EE sind keine Ausnahme mehr, sondern liefern aktuell ca. 50% und in wenigen Jahren (hoffentlich) 80% des Strombedarfes. Das EEG ist durch ein neues Energiewirtschaftsgesetz zu ersetzen, das die EE in das Zentrum stellt und fossile Energien nur noch temporär duldet. Gleichzeitig wäre übrigens das Merit-Order-Prinzip für die Strombörse zu kippen.

Maximaler Eigenverbrauch und lokales Lastmanagement sind wünschenswert, um die Versorgung dezentraler und damit resilienter zu gestalten, aber auch um den teuren und von Widerständen begleiteten (Übertragungs-)Netzausbau weitgehend obsolet zu machen. Um dem „Totschlag“-Argument gegen flukturierende EE und damit volatile Netzbelastungen zu begegnen, müssen lokale (Gebäude) und regionale (Stadtwerke) Speicher zur Selbstverständlichkeit, ggf. auch vorgeschrieben werden. Ein Eigenverbrauch muss sich übrigens nicht nur – unabhängig der Identität von Anlagenbetreiber und Stromverbraucher – auf ein Gebäude mit PV-Anlage beziehen, sondern sollte auch Quartiersversorgung in der Nachbarschaft ermöglichen. Eine entsprechende EU-Richtlinie aus 2019 wird von der Bundesregierung weiterhin stoisch missachtet.

Ansonsten gibt es bei privaten EE-Kleinanlagen praktisch keinen Regulierungsbedarf mehr. Allenfalls die maximale Einspeiseleistung des Wechselrichters und die Vergütung der Überschusseinspeisung sind zu regeln. Umgekehrt bedeutet das: Die gesamte DC-Seite einer Anlage, also Module und Speicher, sowie das private Hausnetz gehen weder den Staat noch den Netzbetreiber irgendetwas an (s. auch „PV simpel“ vom 9.6.2022).

Das bedeutet auch, dass der Gesetzgeber endlich wieder die Hoheit über die Technischen Anschlussbedingungen (TABs) von den Netzbetreibern zurückgewinnen muss. Diese fallen bei fast 1.000 Netzbetreibern in Deutschland unterschiedlich aus, was bei rein technischen Notwendigkeiten unmöglich wäre. Stattdessen werden die TABs zu Verhinderungs-, Verkomplizierungs- und Verteuerungs-Instrumenten für die betroffenen Prosumer. Wieso müssen Zählerschränke immer größer werden und viel Raum für irgendwelche fiktiven Erweiterungen bereitstellen, obgleich der Prosumer sie alleine für mehrere tausend Euro als Privateigentum erwirbt? Allein der Zählerplatz hat den Netzbetreiber zu interessieren. Alles andere sollte sich – wie die gesmate private Elektroinstallation ausschließlich nach praktischen und sicherheitstechnischen Bedürfnissen ausrichten.