von Daniel Bannasch, erschienen im SOLARZEITALTER 2-2024
MetropolSolar hat seit 2021 durch Schulungen bundesweit rund 60 BürgerSolarBerater-Gruppen auf den Weg gebracht. Sie leisten mit qualifizierter ehrenamtlicher Beratung einen wichtigen Beitrag zur Transformation des Energiesystems vor Ort. 2025 soll das Angebot weiter ausgebaut werden. Mittelfristiges Ziel: ein flächendeckendes Angebot. BürgerSolarBeratung. Für alle. Überall. Jede und jeder kann eine BürgerSolarBerater-Gruppe in der eigenen Kommune initiieren.
Die vollständige Umstellung des Gebäudebestandes auf Erneuerbare Energien ist eine der größten Herausforderungen für die Energiewende insgesamt. Der erste Schritt ist, die Sonne auf dem eigenen Dach zu ernten. Es gibt rund 16 Mio. Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland. Die meisten Eigentümer*innen haben noch keine PV-Anlage und sind „solare Laien“. Der Bedarf an qualifizierter, neutraler Beratung ist deshalb enorm. Er kann nicht allein über bestehende Beratungsstrukturen gedeckt werden. BürgerSolarBerater-Gruppen leisten einen Beitrag zur Lösung dieses Problems.
BürgerSolarBeratung
Die „BürgerSolarBeratung“ ist eine seit 2011 in der Praxis entwickelte und erprobte Lösung für die kompetente, neutrale und unabhängige PV-Beratung für Eigentümer*innen von Ein- und Zwei-Familien-Häusern als „Solare Nachbarschaftshilfe“ – organisiert in selbstständigen und eigenverantwortlichen lokalen bürgerschaftlichen Gruppen.
Anspruch ist es, eine in fachlicher und menschlicher Hinsicht qualitativ hochwertige Beratung und Begleitung als „Solare Nachbarschaftshilfe“ nach bestem Wissen und Gewissen zu leisten – neutral und unabhängig von wirtschaftlichen Interessen. Beraten wird zur Konzeption einer PV-Anlage (mit oder ohne Speicher). Mögliche wirtschaftliche Auswirkungen von E-Auto und Wärmepumpe werden berücksichtigt. Interessierte werden im gesamten Prozess begleitet und dabei unterstützt, die aus ihrer Sicht beste Entscheidung für die Installation einer Photovoltaik-Anlage zu treffen.
Um ein gutes Beratungsergebnis zu erzielen, sind ausführliche Gespräche zur Feststellung der Wünsche der Interessentinnen und eine Erfassung der Projektdetails ebenso wichtig wie eine differenzierte Berechnung von Alternativen und eine verständliche Darstellung der Ergebnisse. Beratungen werden individuell, persönlich und in der Regel vor Ort durchgeführt. Die einzelnen BürgerSolarBeraterinnen beraten eigenständig und eigenverantwortlich und werden in ihrer Beratungstätigkeit und der Entwicklung ihrer Beratungsfähigkeit durch ihre Gruppe gestärkt.
Die echte Energiewende kommt „von unten“. Von Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Der notwendige massive Ausbau der Photovoltaik erfordert die massenhafte Selbstermächtigung und Selbstorganisation von Bürgerinnen und Bürgern. Niemand muss und niemand sollte auf „die Politik“ warten. Jede und jeder kann die Dinge selbst in die Hand nehmen und eigenen Solarstrom wirtschaftlich erzeugen und nutzen. Und jede und jeder Einzelne kann eine lokale „Solarzelle“ starten, um vor Ort den Umbruch zu organisieren. Sofort. Überall. SolarStrategie, MetropolSolar 2020
Schulungen
Auf der Grundlage von 10 Jahren praktischer Beratungserfahrung hat MetropolSolar 2021 ein Schulungskonzept entwickelt, das im Juli 2021 gemeinsam mit dem „Wattbewerb“ mehr als 50 Teilnehmerinnen bundesweit online vorgestellt wurde. Im Herbst 2021 konnte die erste Schulungsrunde mit drei Pilot-Kommunen starten. Geschult werden Bürgerinnen, die anderen Bürger*innen im Entscheidungsprozess für eine private PV-Anlage kostenlos und ehrenamtlich behilflich sein wollen, und ausschließlich gemeinnützige Ziele verfolgen. Die Schulungen bestehen aus vier Online-Workshops und einer Praxis-Phase, die von Mentoren begleitet wird. Der Gruppenaufbau wird durch MetropolSolar flankiert.
Die Schulungen sind auf das Wesentliche reduziert und verlangen keine spezielle Vorbildung. Sie versetzen Menschen unterschiedlichster Qualifikation in die Lage, PV-Projekte zu konzipieren, Prognosen zu erstellen, zu beraten und sich in unabhängigen Gruppen zu organisieren. Dafür wurden komplexe Abläufe vereinfacht und standardisiert. Die eingesetzten Werkzeuge sind niederschwellig, praxistauglich und für die geschulten Gruppen kostenfrei. Finanzielle, rechtliche und organisatorische Hürden wurden soweit wie möglich vermieden.
BürgerSolarBerater-Gruppen können über die Schulungen prinzipiell in jeder Kommune aufgebaut werden. Der Aufbau einer Gruppe wird normalerweise einmalig über die Beauftragung einer Schulung durch eine Kommune angestoßen. Das reicht in der Regel aus, um den Grundstein für eine funktionierende, lokale, selbst-organisierte BürgerSolarBerater-Gruppe so zu legen, dass sie in der Lage ist, sich eigenständig weiterzuentwickeln und neue Interessierte selbständig einzuarbeiten.
Wirkung und Erfahrungen
Die BürgerSolarBeratung ist ein pragmatischer Ansatz und eine bürgerschaftliche Bewegung „von unten“. Die Erfahrung zeigt, dass es überall Menschen gibt, die bereit sind, ehrenamtlich als BürgerSolarBerater*innen tätig zu werden. „Gemeinsam etwas Sinnvolles schaffen“, etwas für die Zukunft ihrer Kinder und Enkel tun und ihre Kompetenz einbringen zu können, motiviert viele BürgerSolarBerater*innen. Es handelt sich oft um Menschen, die sich nicht schon an anderen Stellen engagieren und eine vielfältige und hohe berufliche Qualifikation mitbringen.
BürgerSolarBerater-Gruppen entlasten durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit private und öffentliche Akteure. Die Mitarbeit in den Gruppen fördert Selbstwirksamkeit, ist auf Beständigkeit angelegt und stärkt den Gemeinschaftssinn, die lokale Autonomie und Wertschöpfung. Sie verbindet die Menschen mit überall vorhandenen Potentialen: anderen engagierten und kompetenten Menschen und vor Ort verfügbarer sauberer Energie.
Der wirtschaftliche Gegenwert einer einzelnen Beratung kann bei mehreren hundert bis weit über tausend Euro liegen. Die Beratenen sind den BürgerSolarBeraterinnen meist sehr dankbar für die unabhängige, qualifizierte und kostenfreie Beratung und fühlen sich dadurch ermutigt, ihr persönliches PV-Projekt in die Praxis umzusetzen, denn nach wie vor besteht bei vielen Hauseigentümerinnen Unsicherheit zur Frage, ob eine PV-Anlage „sinnvoll“ ist und „sich lohnt“. BürgerSolarBerater-Gruppen werden regelmäßig auch ein Kristallisationspunkt für das Thema Energie in ihrer Kommune weit über den ursprünglichen Kern der PV-Beratung für Ein- und Zweifamilienhäuser hinaus.
Aus kleinsten Anfängen zum bundesweiten Netzwerk
Die heutigen BürgerSolarBeratungen haben ihren Ursprung 2011 in der „Solarinitiative Birkenau“ im Kreis Bergstraße mit drei Beratern. Nachdem zwei der Aktiven ihre Arbeit aus beruflichen Gründen nicht mehr fortsetzen konnten, konnte die Beratung so nicht mehr fortgeführt werden. Unter dem Dach von MetropolSolar wurde die Beratung wieder aufgebaut und 2016 mit einem weiter entwickelten Modell unter dem Namen „BürgerSolarBeratung“ neu gestartet – diesmal mit einigen wenigen Akteuren verteilt über das Weschnitztal (Birkenau, Mörlenbach und Fürth).
Bis Anfang 2021 hatte sich die Gruppe auf rund 20 Berater vergrößert, auf weitere Kommunen im Kreis Bergstraße ausgedehnt und bereits mehrere hundert Beratungen durchgeführt – zum Teil in Kooperation mit Ansprechpartner*innen bei den Kommunen.
Nachdem es über MetropolSolar bereits den Anstoß für andere Gruppen bundesweit gegeben hatte, kam im Frühjahr 2021 von einem beim solaren Kommunalwettbewerb „Wattbewerb“ engagierten MetropolSolar-Mitglied die Anregung für eine systematische bundesweite Verbreitung. Dieser Impuls führte zur Entwicklung des Schulungskonzepts und dem Start der Schulungen.
Von Ende 2021 bis Ende 2024 hat MetropolSolar in 10 Schulungsrunden rund 60 BürgerSolarBerater-Gruppen initiiert, mehrere hundert BürgerSolarBerater*innen geschult und in die praktische Beratungsarbeit begleitet und damit mehrere tausend ehrenamtliche Solarberatungen ausgelöst – in kleinen Kommunen aber auch in Großstädten wie Bonn, Kassel und Darmstadt. Die praktischen Erfahrungen, die mit den Schulungen und dem Aufbau der Gruppen gesammelt wurden, haben zur Weiterentwicklung des Modells beigetragen.
Dass das Konzept und der Begriff „BürgerSolarBeratung“ an vielen Stellen aufgegriffen und zum Teil auch plagiiert wurde, zeigt die Strahlkraft, die von dem Ansatz ausgeht. Soweit MetropolSolar bekannt ist, gibt es aber bis heute kein anderes vergleichbares Schulungsangebot in dieser Qualität. Die von MetropolSolar formulierten Kriterien sind unter www.buergersolarberatung.de/fragen-und-antworten zu finden. Sie machen das Konzept des „Originals“ transparent: für Beratungsinteressierte, für Auftraggeberinnen der Schulungen und vor allem für alle BürgerSolarBeraterinnen und BürgerSolarBerater-Gruppen, die nach diesem Modell arbeiten wollen.
Weitere Verbreitung
Das Konzept der BürgerSolarBeratung und der Schulungen wurde auf Skalierbarkeit angelegt.
Rund 60 BürgerSolarBerater-Gruppen in weniger als drei Jahren bundesweit initiiert, geschult und in die praktische Beratungsarbeit begleitet zu haben, ist ein großer Erfolg. Es zeigt, dass das Konzept unter ganz unterschiedlichen Voraus- setzungen in kleinen und großen Kommunen funktioniert. Aber gemessen am Ziel 100 % Erneuerbare Energie 2030, für das sich MetropolSolar seit langem einsetzt, reicht das bei weitem nicht aus. Es gibt in Deutschland knapp 11.000 Kommunen. Für ein flächendeckendes BürgerSolarBeratungsangebot in Ergänzung zu den bestehenden Strukturen werden wesentlich mehr Gruppen benötigt. Je mehr Gruppen es gibt, die nach dem gleichen Konzept arbeiten, umso leichter kann eine bundesweite Vernetzung stattfinden und letztlich flächendeckend Beratung angeboten werden. An vielen Stellen wurde bereits der Aufbau von BürgerSolarBerater-Gruppen über Schulungen durch MetropolSolar in den Nachbarkommunen und Kreisen aktiver Gruppen angestoßen. MetropolSolar arbeitet daran, in einer „Phase II“ das Konzept der BürgerSolarBeratung über Multiplikatoreffekte noch sehr viel breiter zu streuen.
Jede und jeder kann eine lokale Bürger-SolarBerater-Gruppe initiieren. Dabei genügt es im ersten Schritt einen Kontakt zu den jeweiligen Klimaschutzmanager*innen herzustellen. MetropolSolar informiert sehr gerne dazu, wie eine solche lokale Initative gelingen kann und wie sie an anderen Orten bereits gelungen ist.
MetropolSolar
MetropolSolar ist Entwickler und Anbieter der Schulungen. Der gemeinnützige Verein wurde
2006 in Mannheim gegründet und hat bundesweit mehr als 300 Mitglieder. Das Netzwerk setzt sich für die schnelle und vollständige Umstellung auf Erneuerbare Energien ein – unter anderem durch die Vorträge zur „Energiewende auf dem Bierdeckel“, die Übersetzung und Ver- öffentlichung des Buchs „Saubere Revolution 2030“ von Tony Seba 2017 („Clean Disruption of Energy and Transportation“, 2014), die Veröffentlichung der „SolarStrategie“ (2020) und die BürgerSolarBerater-Schulungen (seit 2021).
Selbst aktiv werden!
Weitere Informationen zur BürgerSolarBeratung, zu den Leitlinien und Vorgehensweisen, zu den Schulungen, zur Initiierung neuer Gruppen und zur möglichen Mitarbeit finden Sie auf www.buergersolarberatung.de
Wer mehr wissen möchte und eine Umsetzung in der eigenen Kommune anstoßen will, ist eingeladen, Kontakt mit MetropolSolar aufzunehmen. Die 11. Schulungsrunde ist für März 2025 geplant. MetropolSolar: info@metropolsolar.de, Tel. 0621 855793
Daniel Bannasch ist Dipl.-Volkswirt und geschäftsführender Vorstand von MetropolSolar, einem bundesweiten Netzwerk für Erneuerbare Energien.